Auch wenn die Karosserie italienisch ist, gilt der Puch 500 als österreichischer Klassiker. Er wird 60 Jahre alt.
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Wien. Der Puch 500 ist ein österreichisches Identitätssymbol, für manche ein Nationalheiligtum. Sogar jungen Leuten ist das kleine Auto, das heuer am 29. September seinen 60. Geburtstag feiert, ein Begriff. Doch was ist das Wesen dieses Wagens, der dem Fiat Cinquecento so unverschämt ähnlich sieht, und warum wurde er zu so einem großen Klassiker? "Es ist das einzige echte österreichische Fahrzeug, das in Fließbandproduktion in Serie hergestellt wurde", sagt Gernot Luke, stellvertretender Obmann des Steyr-Puch-Clubs Salzburg.
Zwischen 1957 und 1975 wurden rund 60.000 Stück produziert. Das Auto war von Anfang an ein Renner. "In der Nachkriegszeit konnten sich nur wenige ein Auto leisten, viele Kinder mussten im Gegensatz zu heute noch zu Fuß in die Schule gehen", sagt Luke. Jedes Fortbewegungsmittel, das ein Dach über den Kopf hatte, sei damals schon ein Fortschritt gewesen.
Der verstaatlichte Steyr-Daimler-Puch-Konzern wollte 1954 ein Fahrzeug bauen und hatte bereits Prototypen entwickelt. Wegen der hohen Entwicklungskosten zögerten die Manager jedoch und fanden schließlich mit Fiat - schon damals einer der führenden europäischen Autohersteller - einen starken Partner. Man übernahm kurzerhand die Karosserie des Fiat Cinquecento und baute den Rest völlig neu. Motor, Getriebe, Fahrwerk wurden in Graz-Thondorf entwickelt, was die Basis für den Kult um den österreichischen Kleinwagen lieferte. "Beim Puch war alles neu und anders, es war einfach alles besser", sagt Luke.
Es gab drei Ausführungen, eine mit 16 PS, eine mit 19,8 PS und eine Sportausführung mit 27 PS. Mit einem Gewicht von 500 Kilogramm lag die Spitzengeschwindigkeit bei 80 bis 100 Stundenkilometern, die Sportversion schaffte es auf 130 Stundenkilometer. Der Wagen hatte eine Vier-Gang-Schaltung, fuhr mit Benzin - der Verbrauch lag bei vier bis fünf Litern - und verfügte über einen luftgekühlten Boxermotor. Dieser war eine Entwicklung des österreichischen Ingenieurs Erich Ledwinka, der später auch für zwei andere Steyr-Puch-Fahrzeuge verantwortlich war, den Haflinger und den Pinzgauer.
Erst Fetzendach, dann Hardtop
Dass die Karosserie, die das optisch dominierende Element des Wagens und ein Grund für dessen Beliebtheit sei, von Fiat übernommen wurde, sieht Luke nicht als Abstrich. "Es gab damals viele Lizenzproduktionen. Fiat hat nicht nur von Italien aus seine Autos verkauft, sondern viel über Lizenzen in anderen Ländern herstellen lassen." So gab es in den 50er und 60er Jahren den Fiat Zastava in Serbien, den Polski Fiat sowie Lizenzherstellung mit Lada und Seat. Auch sei es heute noch üblich, Synergien durch baugleiche Modelle zu nutzen, wie beim Ford Galaxy, VW Sharan und Seat Alhambra.
Ausgeliefert wurde der Puch 500 anfangs mit Fetzendach, erst später folgte ein Hardtop. Im Gegensatz zum Fiat, der hinten flacher abfiel, hatte er einen kleinen "Bürzel", weshalb er im Innenraum mehr Platz bot. "Vier Personen haben locker Platz, auch vier Nichtschlanke", sagt Luke. Das "Pucherl" sei damals ein ganz normales Auto für den Alltagsgebrauch gewesen. Die Leute seien mit ihm auch für zwei oder drei Wochen zum Beispiel nach Spanien auf Urlaub gefahren. Bei manchen Modellen finde man unter der Motorhaube oder an anderen Stellen Aufkleber, die davon zeugten, dass die kleinen Puchs aus Graz in ganz Europa unterwegs waren. Viel Platz für Gepäck gab es allerdings nicht. "Damals ist man mit ein paar Schlapfen, einer Badehose und einer Luftmatratze losgefahren, mehr brauchte man nicht", sagt Luke.
Obwohl die Italiener für den "Steyr-Puch 500 Mod. Fiat", wie der Wagen richtig heißt, nur eine Lizenz für Österreich vergeben haben und dafür in Österreich keine Fiat Cinquecento verkauften, gingen ein paar Stück ins Ausland, vor allem nach Deutschland und Finnland. Allerdings sollen es je ein Stück sogar nach Japan und in die USA geschafft haben. Einen Beitrag zur Beliebtheit lieferten auch zahlreiche Rennerfolge, 1966 gewann der Puch in seiner Klasse die Rallye-Europameisterschaft. Ein weiterer Vorteil des Autos: "Er hat nur eine Blechkarosserie, einen Stahlrahmen, einen Motor und ein Lenkrad", sagt Luke. Durch die einfache Technik konnten sogar Laien die meisten Reparaturen selber durchführen.
Doch auch die großen Rennerfolge und der Umstand, dass die Österreicher ihr "Puch Schammerl" längst ins Herz geschlossen hatten, konnten den Lauf der Zeit nicht aufhalten. Im Staatsbetrieb Steyr-Daimler-Puch hatte man die Zeichen der Zeit übersehen. Andere Hersteller hatten ihre Modelle längst weiterentwickelt und den Sprung zu einer neuen Generation von Autos geschafft. Kleine Autos, wie sie den Menschen in der Nachkriegszeit mehr als genug waren, entsprachen nicht mehr den Anforderungen der neuen Zeit.
Ende der 60er Jahre begann der Niedergang des Puch 500, im letzten Produktionsjahr 1975 wurden noch zwei- oder dreitausend Stück produziert, doch waren diese nur schwer verkäuflich. Mit dem Fiat 126 wollte Steyr-Daimler-Puch noch einen Nachfolger lancieren. Hier hätte man in ein italienisches Modell nur einen anderen Motor eingesetzt. Wegen geringer Nachfrage wurde das Projekt jedoch bald wieder eingestellt. Der Puch 500 war damit aber noch lange nicht Geschichte. Bis heute sind rund 5000 Stück in Österreich, Deutschland, Italien und der Schweiz auf der Straße. Dass der kleine Bruder aus Österreich auch im Ausland bei vielen beliebter als der millionenfach hergestellte Fiat Cinquecento ist, hat laut Luke einen guten Grund: "Der Puch ist dem Fiat um die Ohren gefahren."
"Die Szene beginnt zu altern"
Wegen der robusteren Technik, des besseren Motors, habe er viele Freunde gefunden. Den Puch-Motor habe man auffrisieren können, den luftgekühlten Zweizylinder-Reihenmotor von Fiat nicht, den hätte es "zerrissen". Auf engen Bergstraßen müsse man sogar bei modernen Autos kräftig ins Gas steigen, um dem Pucherl hinterherzukommen. Denn genau da sei er daheim, sagt Luke. Durch das gute Fahrwerk und die gute Straßenlage lägen dem Auto kurvenreiche Strecken. In der Stadt sei das Fahrvergnügen wegen der geringen Übersicht, winzigen Spiegel und mangelnder Sicherheitseinrichtungen endenwollend.
Die Community, die die Fahrzeuge bis heute hegt und pflegt, sind bodenständige eingeschworene Liebhaber, sagt Luke. Den meisten gehe es um das Fahrvergnügen und die Pflege einer österreichischen Tradition. Viele hätten das Auto in ihrer Jugend gefahren, andere seien darin aufgewachsen. Der Altersdurchschnitt liege bei über 70 Jahren. Mit seinen 58 sei er einer der Jüngeren. Sein Sohn würde sich alleine schon aus Sicherheitsgründen nicht in das Auto setzen. "Die Szene beginnt zu altern, es wäre wünschenswert, auch jüngere Menschen für den Puch 500 begeistern zu können."