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Angeführt von den USA will der Westen die Generäle nach dem Staatsstreich in Myanmar mit Sanktionen unter Druck setzen. Doch Strafmaßnahmen würden die Militärs wie schon bisher kaum treffen. Am Ende könnte China der große Profiteur sein.
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Wie schnell sich ein ganzes Land verwandeln kann, hatten die Generäle in Myanmar vor knapp zehn Jahren eindrucksvoll vor Augen geführt bekommen. Binnen kurzer Zeit wurde aus dem völlig abgeschotteten Land auf einmal ein touristischer Sehnsuchtsort, der Besucher aus der ganzen Welt anzog. Der Rangun International Airport verzeichnete zwischen 2010 und 2016 eine Versechsfachung der Passagierzahlen, die überall aus dem Boden schießenden Hotels erreichten in der von November bis März dauernden Hauptreisezeit eine Auslastung von fast hundert Prozent.
Der aus dem Dornröschenschlaf erwachte Tourismus war allerdings nur das sichtbarste Zeichen des Umbruchs in einem Land, das seit den 1960er Jahren mit eiserner Hand von einer Militärjunta regiert worden war. In Rangun, wo am Hauptbahnhof jahrzehntelang lediglich eine große Kreidetafel Auskunft über die in der größten Stadt des Landes ankommenden und abfahrenden Züge gegeben hatte, gab es plötzlich Internet. Und die Banken, die früher vor allem damit beschäftigt waren, den oft mehrere Zentimeter dicken Geldstapeln Herr zu werden, die selbst für kleine Einkäufe benötigt wurden, stellten erste Bankomaten auf.
Biden verurteilt Putsch
Doch nun macht sich das Militär, das die Öffnung vor mehr als einem Jahrzehnt selbst angestoßen hat, daran, die Zeit zurückzudrehen. Im neuen Kabinett, das der mächtige General Min Aung Hlaing einen Tag nach dem Putsch gegen die gewählte zivile Regierung vorgestellt hat, befinden sich abgesehen von einigen Mitgliedern der von der Armee gestützten Solidarity and Development Party ausschließlich hochrangige Militärs. Von der entmachteten De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi und dem zusammen mit ihr festgesetzten Führungspersonal der Regierungspartei Nationalen Liga für Demokratie (NLD) gab es dagegen zunächst nicht einmal einen Hinweis auf ihren Aufenthaltsort. Laut einem Facebook-Eintrag eines hohen NLD-Vertreters soll die Friedensnobelpreisträgerin und frühere Freiheitsikone zumindest wohlauf sein.
Dass Suu Kyi, die nach dem NLD-Erdrutschsieg bei den Wahlen im November von den Generälen offenbar als immer größere Gefahr für ihren noch verbliebenen Einfluss gesehen wurde, bald wieder freikommt, scheint damit relativ unwahrscheinlich. Denn nicht nur in Myanmar selbst hat sich - abgesehen von den hunderttausendfach geteilten Solidaritätsbekundungen mit Suu Kyi in den Sozialen Medien - zunächst noch kein substanzieller Widerstand gegen den Staatsstreich des Militärs gezeigt. Die 75-jährige NLD-Chefin, die von ihren Anhängern zumeist nur ehrfurchtsvoll "die Lady" genannt wird, kann auch kaum auf Hilfe aus dem Ausland hoffen.
Denn die Optionen, über die die westlichen Regierungen im Fall von Myanmar verfügen, sind vergleichsweise beschränkt. So hat der neue US-Präsidenten Joe Biden den Putsch zwar schon nach wenigen Stunden verurteilt und die Armeeführung dazu aufgerufen, die Macht "sofort" wieder abzugeben. Doch die in diesem Zusammenhang bereits angedrohten Wirtschaftssanktionen dürften die Generäle kaum beindrucken. Denn die Armeeführung, die über weitverzweigte Firmengeflechte auch weite Teile der Wirtschaft in Myanmar kontrolliert, hat kaum direkte Geschäftsverbindungen ins Ausland und würde daher neue Strafmaßnahme wohl kaum zu spüren bekommen. Anders wäre das dagegen bei der einfachen Bevölkerung, die vom wirtschaftlichen Aufschwung der vergangenen Jahre spürbar profitieren konnte. Sie wäre wie schon bei den bis 2012 von den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union verhängten Strafmaßnahmen wohl die Hauptleidtragende.
Wusste China Bescheid?
"Einfach noch mehr Sanktionen gegen das Militär in Myanmar zu verhängen, wird das Problem nicht lösen", sagt auch der US-Spitzendiplomat Daniel Russel, der während der Präsidentschaft von Barack Obama für die Südostasien-Regien zuständig war. Viel mehr brauche es geschickte Diplomatie sowohl auf bilateraler Ebene wie auch zusammen mit globalen Partner.
Ob einer der wichtigsten internationalen Spieler hier mit an einem Strang zieht, ist allerdings fraglich. Denn dass General Min Aung Hlaing drei Wochen vor dem Putsch in Peking von hochrangigen Regierungsvertretern empfangen wurde, hat nicht nur innerhalb der NLD, sondern auch bei einigen westlichen Diplomaten den Verdacht genährt, dass die Volksrepublik zumindest vorab informiert gewesen ist.
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Entsprechend unsicher scheint daher auch, inwieweit China bereit sein wird, sich an einer Rückabwicklung des Coups zu beteiligen, zumal es sogar zu den Profiteuren gehören könnte. Denn mit neuen westlichen Sanktionen würden die Regale in den Geschäften Myanmars wohl bald wieder wie vor dem Jahr 2012 aussehen, als vom Fernseher übers Mobiltelefon bis hin zum Shampoo alles aus China eingeführt wurde. "China wird sich auf seinen politischen Gewinn und seinen Einfluss in der Region konzentrieren", sagt der aus der Kachin-Provinz stammende Politiker Maw Htun Aung, der weder Suu Kyi noch dem Militär nahesteht, gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. "In jemand Fall wird Peking seinen Vorteil aus dieser Krise ziehen."