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Knapp zwei Wochen nach der historischen Wahlniederlage finden die Genossen keinen Tritt. Selbst die Ansage, die SPÖ radikal neu zu denken, führte in ein kommunikatives Dilemma.
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Es begann mit dem irritierenden Satz der roten Parteichefin Pamela Rendi-Wagner direkt nach dem historisch schlechtesten Ergebnis der SPÖ bei einer Nationalratswahl. Da meinte sie: "Die Richtung stimmt." Tags darauf stellte sie sich mit der Bestellung des gescheiterten Wahlkampfmanagers Christian Deutsch zum Bundesgeschäftsführer innerparteilich selbst noch mehr infrage. Ihren Ausspruch, wonach die Richtung stimme, versuchte sie erst eine Woche später in einem Facebook-Video zu erklären. Sie habe nicht das Wahlergebnis gemeint, sondern, "dass wir für die richtige Sache kämpfen". Rendi-Wagner sagte auch, dass sie die SPÖ neu denken möchte, tabulos, so radikal wie seit ihrer Gründung vor 130 Jahren nicht mehr. Nur was genau sie damit meinte, blieb Rendi-Wagner schuldig.
Nun ist es nach einer gescheiterten Wahl zweifellos schwer, sofort die richtigen Antworten parat zu haben. Die Sozialdemokratie in Österreich und in vielen Teilen Europas ist seit vielen Jahren auf der Sinnsuche - in wenigen Fällen auch erfolgreich. Hinzu kommt, dass Rendi-Wagners Vorgänger Christian Kern im vergangenen Jahr alles hinschmiss, einen chaotischen Abgang hinlegte und dann an die politisch noch weniger routinierte und verankerte Rendi-Wagner übergab. Seither hatte sie nicht nur eine in den Umfragen stetig schwächelnde Partei zu verwalten, sondern auch zwei bundesweite Wahlen zu bestreiten. Viel Zeit zur Eingewöhnung blieb da folglich nicht.
"Die Chaos-Tage der SPÖ gehen weiter"
Die fehlende Routine und inhaltliche Fachkenntnis Rendi-Wagners war am Dienstagabend im ORF-"Report" einmal mehr bemerkbar. Was das Alleinstellungsmerkmal der SPÖ unter ihr sein sollte, konnte Rendi-Wagner nicht beanworten. "Daran werden wir jetzt arbeiten", meinte sie und verwies damit auf die Erneuerungsklausur des SPÖ-Parteipräsidiums am Freitag. "Was ich klar sagen kann, ist, dass es eine Sozialdemokratie für die Menschen und für die Gesellschaft immer brauchen wird, dass soziale Gerechtigkeit nichts ist, was man abhaken kann und sagen kann, das ist erledigt", sagte Rendi-Wagner. Es brauche laut der Parteichefin eine Antwort auf die Frage, wozu es die SPÖ heute noch brauche und eine moderne wie zeitgemäße Erzählung, um die Menschen zu erreichen. Konkreter wird Rendi-Wagner nicht. Nur so viel: Eine Parteireform aus dem vergangenen Jahr, bei der eine größere Stärkung der Mitglieder letztlich entschärft wurde, solle "mit Leben erfüllt" werden. Die zwei Wahlgänge hätten den Reformvorgang ausgebremst.
"Die Chaos-Tage der SPÖ gehen weiter", sagt Politikberater Thomas Hofer. "Man merkt die Verzweiflung." Es seien auch schon anderen Politikern Sätze davongelaufen. Aber nach der Wahl zu meinen, die Richtung stimme, dann erst knapp eine Woche später die Erklärung zu liefern, "das ist in der politischen Kommunikation ein No-Go". Nach dem Gespräch im "Report" sei weiter nicht klar, wohin die SPÖ möchte. "Wenn ich ankündige, die SPÖ radikal neu denken zu wollen, und dann kommt heraus, dass eh schon alles vor Monaten beschlossen wurde und nur mit Leben erfüllt werden muss, dann ist das eine gewisse Text-Bild-Schere", sagt Hofer.
Die Krise habe aber nicht nur mit Rendi-Wagner zu tun, sondern auch mit ihrem Umfeld. Es seien nach dem Abgang von Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda keine Vertrauten mehr da und auch keine klare Nummer zwei, die ihr einmal den Weg freiräumen könnte, so Hofer. "Wenn man eine so unerfahrene Parteispitze hat, dann braucht man im engsten Team die Haudegen, die jeden Fallstrick in der Partei und in der Öffentlichkeit kennen." Die hätte Rendi-Wagner nicht oder nicht genug gehabt. Gleich nach Amtsantritt seien ihr obendrein sämtliche Parteigranden sogleich "in die Parade gefahren", sagt Hofer. "Das war ein gewaltiger Imageschaden und jenseitig."
Die grüne Markals nächster harter Schlag
Rendi-Wagner möchte nicht hinschmeißen. Allerdings gibt es auch kein Gedränge um den Parteivorsitz. Denn der nächste herbe Schlag kündigt sich bereits an. Angesichts vorgezogener Landtagswahlen in der Steiermark am 24. November, die ebenfalls kein erfreuliches Ergebnis bringen dürften, ist das auch nicht besonders verwunderlich. Nach der Steiermark-Wahl könnte die SPÖ im Bundesrat weiter politischen Einfluss verlieren. Konkret die Sperrminorität, also das Vetorecht bei Landesmaterien.
Die bisherige Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures wird zwar als mögliche Nachfolgerin Rendi-Wagners kolportiert. Derzeit deutet aber nichts darauf hin, dass das stimmt. Bures sagte bereits nach Kerns Rückzug ab. Ihr Sprecher dementiert auch jetzt jegliche Gerüchte, wonach Bures Ambitionen auf den Parteivorsitz hätte oder, sollte eine Koalition mit der ÖVP im Raum stehen, Vizekanzlerin werden wolle.
Bures soll aber im Hintergrund die Fäden ziehen und bei der Bestellung von Christian Deutsch vom gescheiterten Wahlkampfmanager zum Bundesgeschäftsführer eine wesentliche Rolle gespielt haben. Rendi-Wagner betont stets, dass Deutsch ihre Wahl als Parteichefin gewesen sei. Bures begleitete Rendi-Wagner aber auch nach der Nationalratswahl zum Gespräch mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Laut ihrem Sprecher möchte Bures wieder zur Zweiten Nationalratspräsidentin gewählt werden.