Höllentempo der Cross Industries. | Partner wechseln, Strategie bleibt gleich. | Nach Enduros kommt Sportflitzer. | Wels. Das deutsche Magazin "Der Spiegel" war kürzlich erstaunt: "In einem kollabierenden Motorradmarkt wächst ausgerechnet eine österreichische Krawallmarke rasant." Mit der Krawallmarke ist KTM gemeint, nach BMW der zweitgrößte Motorradhersteller Europas.
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Für den Erfolg des Paradebetriebs im oberösterreichischen Mattighofen, der vor 16 Jahren in Konkurs war, ist primär ein Mann zuständig: Stefan Pierer (52) hat mit seinem Partner Rudolf Knünz in atemberaubendem Tempo die Sanierung geschafft und fährt mit unbändigem Ehrgeiz eine Expansionsstrategie, um die ihn viele Finanzzampanos beneiden.
Seit Bestehen der Firma haben die orangen Flitzer 104 Enduro- und Rallye-Weltmeistertitel eingefahren. Neben den Geländemaschinen wurden auch KTM-Straßenmotorräder zu Rennern: Im letzten Geschäftsjahr hat das Unternehmen, das in einer ausgeflippten Firmenzentrale aus Betonquadern residiert, 90.000 Motorräder an den Mann gebracht - trotz Abwärtstrend im Marktsegment.
Eine "sexy Story" für den kurzen Börseauftritt
Pierer, dem Langzeit-Kompagnon Knünz "einen gewissen Sturkopf" attestiert, nennt das eine sexy Story: "Ein klares Konzept mit Fokussierung auf gute Produkte, ein schönes Wachstum und dazu die Internationalisierung - das ist eine schöne Geschichte, die gut angekommen ist." Zum Beispiel an der Wiener Börse, wo die drei Buchstaben ab 1996 notierten. Drei Jahre später trat der bisweilen sprunghafte Motorradfreak freilich den Rückzug an: Mit einem sogenannten "Perpetual", einer langfristigen, in der Bilanz als Eigenkapital aufscheinenden Anleihe, beschritt er erneut Neuland.
Im Jahr 2004 dann das Börsencomeback - diesmal mit der Cross Holding, die Pierer und Knünz schon 1986 gegründet hatten. An diesem Unternehmen, das später in KTM Power Sports umbenannt wurde, beteiligte sich zunächst die Spin Capital Investment AG. Deren Boss Martin Egli musste für das Unternehmen, das rund 38 Prozent an KTM und zunächst etwa 10 Prozent am Feuerwehrausrüster Rosenbauer hielt, 16,5 Millionen Euro berappen.
Als dieses 20-prozentige Aktienpaket im Juli 2005 an die amerikanische Polaris Industries weitergereicht wurde, startete eine enge Kooperation mit den Amerikanern, die von Forschung bis Vertrieb reichte.
Doch auch dieser Großaktionär machte Pierer und Co. nicht happy: Im Dezember 2007 verbündete sich Pierer mit der Baja Auto Limited mit Sitz in Akurdi (Indien), deren Kapital- und Stimmrechtsanteile bei mehr als 20 Prozent liegen. Der zweitgrößte indische Motorradbauer, der mit schwächerer Nachfrage kämpft, soll ab 2010 KTM-Bikes in Indien verkaufen. Obendrein will man gemeinsam Motoren entwickeln.
Die KTM Power Sports AG, die dem Erfolgsduo Pierer-Knünz zu 50,2 Prozent gehört, ist mit 566 Millionen Euro das umsatzmäßig größte und mit 23 Vertriebstöchtern, die weltweit 1400 Händler beliefern, auch wichtigste Standbein des Industrieimperiums Cross Industries AG. Dieses gehört Pierer und Knünz je zur Hälfte, ist in mehreren Branchen engagiert - und soll im gewohnten Höllentempo weiterwachsen: Im Moment begibt die in Wels ansässige Cross Motorsport Systems AG, eine 100-Prozent-Tochter der genannten AG, eine 75 Millionen Euro-Anleihe, deren Zeichnungsfrist morgen endet. Der Emissionserlös soll zur Refinanzierung und zum Ausbau der Beteiligungen genutzt werden. Diese unterhalten schon jetzt Produktionsstätten in Österreich, Deutschland, Großbritannien, den Niederlanden, in der Slowakei und den USA.
Auf Einkaufstour in mehreren Branchen
2005 beteiligte sich die Cross Industries AG, die zuletzt auch ein Auge auf den Autozulieferer Fischer Composite Technology in Ried geworfen hat, mit 80 Prozent an der Eternit-Werke Ludwig Hatschek AG in Vöcklabruck und ist seither nicht zu bremsen: Im Juni 2006 übernimmt Pierer zunächst eine Sperrminorität an der börsenotierten Pankl Racing Systems in Bruck an der Mur, an der 19 Gesellschaften hängen. Im November steigt er beim oberösterreichischen Autozulieferer Polytec AG ein, vorerst mit fünf Prozent.
Nur einen Monat später sichert er sich die Mehrheit am Mittelstandsfinanzierer Unternehmens Invest AG (UIAG), dessen Aktien im Prime Market der Wiener Börse gehandelt werden. Im April 2007 verfügt er bereits über 42,9 Prozent der Pankl-Aktien. Pankl entwickelt, erzeugt und vertreibt Motor- und Antriebssysteme sowie Fahrwerksteile für den Rennsport, High-Performance-Autos und die Luftfahrtindustrie und setzt mit knapp 700 Mitarbeitern fast 100 Millionen Euro um.
Mitte vergangenen Jahres bringt Pierer mehr als 25 Prozent der Beko Holding AG in seinen Besitz - eine strategische Finanzholding mit 12 Tochterfirmen und Beteiligungen im Technologiebereich. Das an der Frankfurter Börse notierte Unternehmen erzielte 2007 mit 1200 Mitarbeitern 143 Millionen Umsatz.
Im August 2007 schlägt die Cross Industries gleich zwei Mal zu: Zum einen übernimmt sie vom Industriellen Herbert Liaunig die Mehrheit an der Knittelfelder Austria Email AG. Der führende Hersteller von Warmwasserbereitern erwirtschaftete von Jänner bis September 2007 mit 357 Beschäftigten rund 45 Millionen Euro Umsatz.
Außerdem wird die im Jänner 1999 stillgelegte Marke Kästle nach Österreich zurückgeholt: Pierer, der die Markenrechte Anfang 2007 von der Benetton-Gruppe gekauft hat, schickt die neue Kästle GmbH ins Rennen, die im kommenden Winter die legendären Kästle-Ski wieder auf den Markt bringt.
Jetzt kommt der Sportwagen X-Bow
Neben Motorrädern, Email und Skiern liegt dem Cross-Boss ein KTM-Sportwagen am Herzen: Der von Design-Papst Gerald Kiska kreierte Bolide X-Bow entsteht in einer neuen Werkshalle in Graz und soll im Jahr eins mindestens tausend Mal verkauft werden.
Zur PersonStefan Pierer, 1956 in Bruck an der Mur geboren, studierte an der Montan-uni in Leoben Betriebs- und Energiewirtschaft und arbeitete ab 1982 vier Jahre im Vertrieb der Hoval GmbH in Marchtrenk.
1986 gründete er mit dem aus Dornbirn stammenden Unternehmensberater Rudolf Knünz die Finanzbeteiligungsgesellschaft Cross Holding. Der Firmensitz ist bis heute Pierers Wohnort Wels.
1991 erwarb das Duo von Josef Taus die Mehrheit am krisengeschüttelten Motorradhersteller KTM und sanierte diesen innerhalb von wenigen Jahren. Die später in Cross Industries AG umbenannte Holding hielt vorübergehend auch Anteile am Feuerwehrfahrzeugproduzenten Rosenbauer und bot (allerdings vergeblich) um VA Tech Hydro mit. Seit 2005 kauften Pierer und Knünz Schlag auf Schlag mehrere Betriebe. Im Geschäftsjahr 2006/07 erzielte die Cross-Gruppe mit 3800 Mitarbeitern 744 Millionen Euro Umsatz, ein Plus von 21 Prozent. Das Betriebsergebnis wurde um 24 Prozent auf 47 Millionen gesteigert, der Gewinn hat sich von 26 auf 51 Millionen fast verdoppelt. Pierer ist mit Gattin Claudia verheiratet und hat zwei Kinder.