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Der rätselhafte Merkur

Von Alexandra Grass

Wissen
Sieben Jahre dauert die Reise zum Merkur.
© ESA

Die europäisch-japanische Mission BepiColombo startet am 20. Oktober ihren Weg zum kleinsten Planeten.


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Wien. 430 Grad Celsius bei Tag. Minus 180 Grad Celsius bei Nacht. Der Merkur ist damit definitiv unwirtlich. Der Gesteinsplanet ist zudem der kleinste unseres Sonnensystems, steht am nächsten zur Sonne und ist noch am wenigsten erforscht. Das soll sich bald ändern. Denn am Samstag wollen Europa und Japan eine wissenschaftliche Mission zum Merkur schicken. BepiColombo soll den dort vorherrschenden widrigen Umständen standhalten und etwa das rätselhafte Magnetfeld lösen sowie die Zusammensetzung der Planetenoberfläche bestimmen.

Gerade die Nähe zur Sonne und die damit verbundenen hohen Temperaturen hatte Forscher und Techniker allerdings bei der Herstellung der Instrumente vor eine besondere Herausforderung gestellt, erklärt der Leiter des Grazer Instituts für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wolfgang Baumjohann, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Die Sonnenintensität ist zehnmal so stark wie jene auf der Erde. So mussten spezielle Ummantelungen und mehrfache Isolierschichten entwickelt werden. Für die Tests war der Sonnensimulator der Europäischen Weltraumbehörde (ESA) adaptiert worden. Um die extreme Hitze auf der Oberfläche der Solarzellen zu verteilen, muss sich das entsprechende Messgerät 15 Mal pro Minute drehen. Schutzschilde sorgen dafür, dass die Paneele nicht zu heiß und dadurch beschädigt werden, so Baumjohann. An der Entwicklung der Gerätschaften war auch das IWF beteiligt. Die Vorbereitungszeit hat nahezu 20 Jahre gedauert.

Zwei Forschungssonden

Die Mission BepiColombo besteht gleich aus zwei Forschungssonden, die den Planeten unabhängig voneinander und auf unterschiedlichen Umlaufbahnen umrunden werden. Der Merkur-Planetenorbiter (MPO) der ESA soll dessen Oberfläche erforschen. Mit dem japanischen Merkur-Magnetosphärenorbiter (MMO) der Raumfahrtbehörde Jaxa soll das Magnetfeld erkundet werden.

Erst seit den 1970er Jahren ist bekannt, dass der Planet über eine solche, wenn auch sehr schwache Magnetosphäre verfügt, erklärt der Weltraumforscher. Jetzt gilt es herauszufinden, wie sich diese überhaupt bildet. Im Erdkern fungieren rotierende Eisenteilchen als Dynamo zur Erzeugung der unseren Planeten schützenden Schicht. Zwar beinhaltet auch Merkur in seinem Gestein Eisen, doch "wir dachten, er ist ziemlich fest und hat nicht viel Bewegung".

Im Blickpunkt der Grazer Forscher steht auch die Wechselwirkung von Magnetfeld und den noch sehr jungen und ungestümen Sonnenwinden. Die vorhandene aber doch schwache Magnetosphäre lässt es zu, dass solare Strömungen direkt auf die Oberfläche des Merkur treffen, diese praktisch aufwirbeln und die gelösten Teilchen schließlich eine dünne Atmosphäre - eine sogenannten Exosphäre - bilden. Mit den Geräten lässt sich nicht nur feststellen, wie sie genau entsteht, sondern auch, woraus sie besteht. Die Forscher hoffen, dass sie damit auf die mineralogische und chemische Zusammensetzung der oberflächennahen Schichten schließen können.

Live-Stream der ESA

Vom wissenschaftlichen Programm erwarten sich die Forscher insgesamt revolutionäre Erkenntnisse über die Entwicklung von in der nächsten Umgebung der Sonne befindlicher Planeten und die Entstehung des Sonnensystems im Allgemeinen.

Die beiden Raumsonden werden am 20. Oktober um 3.45 Mitteleuropäische Sommerzeit mit einer Ariane-5-Trägerrakete vom europäischen Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana in Richtung Merkur losgeschickt. Während seiner siebenjährigen Reise muss BepiColombo einmal an der Erde, zweimal an der Venus und sechsmal am Merkur vorbeifliegen, bevor beide Orbiter im Jahr 2025 vom Transfermodul abgekoppelt und jeweils in eine eigene Umlaufbahn um den Planeten gebracht werden. Diese sogenannten Swing-by-Manöver dienen als Bremse, damit BepiColombo nicht auf die Sonne fällt und damit sicher in die Umlaufbahn des Merkur eintreten kann.

Die ESA überträgt den Start der Mission am Samstag ab 3.15 Uhr live auf www.esa.int. Die ersten vollständigen Messungen werden etwa im Frühjahr 2026 gemacht werden, kündigt Baumjohann an. Einige der Geräte sollen auch bei den zwei Flügen um die Venus aktiv sein. Dabei könnten sich Einblicke in deren Atmosphäre, Struktur und Interaktion mit der Sonne ergeben, hoffen die Forscher. Die ersten Signale werden auf jeden Fall 40 Minuten nach dem Start erwartet.