Milo Yiannopoulos ist rechts, schwul, hasst Frauen und Muslime - und unterstützt lautstark US-Kandidat Donald Trump.
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Irvine. Es hat etwas von einer Mischung aus Zirkus, Boxkampf und Rockkonzert, wenn Milo Yiannopoulos die Bühne betritt. Lange hätte man auf ihn warten müssen, gegen die Uni-Verwaltung einen Aufstand anzetteln müssen, gegen "Krieger der sozialen Gerechtigkeit" kämpfen müssen, ja sogar gegen die eigenen Leute. "Aber hier kommt der Mann, die Königin, die Legende: Milo Yiannopoulos!", ruft ein Vertreter der College-Republikaner an der Universität von Kalifornien in Irvine durch das Mikrofon in den schmucklosen Hörsaal. Im gleichen Moment startet auf der Riesenleinwand hinter dem Rednerpult ein Video. Es zeigt Szenen, wie bisherige Auftritte von Yiannopoulos von Demonstranten gestört wurden - wie sich Feministinnen Blut über das Gesicht schmieren, Leute aus dem Publikum die Bühne stürmen, ihm ins Gesicht schreien oder mit Lärmhupen für Verwirrung sorgen. Dazwischen Szenen, in denen ihm seine Anhänger frenetisch zujubeln oder Yiannopoulos auf der Bühne mit einer Axt auf einen Sarg einschlägt.
Operndiva auf Koks
Und plötzlich steht er da. Es ist ein Tag vor Halloween, und Yiannopoulos ist als Muslimin mit Gesichtsschleier verkleidet, seine Beine stecken in Strapsen, seine Füße in schwarzen Boots. In der Hand hält er eine Handtasche in der Form einer Bombe, wie man sie aus Trickfilmen kennt. Unter dem Applaus des Publikums dreht und wendet er sich auf der Bühne wie eine Operndiva auf Koks. Da also ist er, der 32-jährige gebürtige Brite, der Mann, der seit Monaten wegen Hate Speech auf Unis und in sozialen Medien für Wirbel und Entsetzen sorgt - so sehr, dass er im Sommer von Twitter gesperrt wurde. Mittlerweile ist der Journalist der rechtskonservativen Website "Breitbart" zur Ikone der Alt-Right-Bewegung in Amerika aufgestiegen - einem losen Zusammenschluss von weißen Nationalisten, Konservativen und Reaktionären, die eine so große Abscheu gegen das politische Establishment hegen, dass sie sich in der Republikanischen Partei nicht mehr zuhause fühlen.
Das hört sich bekannt an? In der Tat inkludiert diese Kategorie auch den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump. Und so ist es nicht verwunderlich, dass Yiannopoulos an der Universität in Irvine, die ihn im Juni bereits einmal verbannt hatte, kurz vor der Wahl eine Rally für "Daddy" Trump hält.
Yiannopoulos Ausführungen sind oft lange Sätze, die man auch von altbewährten Konservativen hören kann: Die Demokratin Hillary Clinton dürfe nicht gewinnen, denn mehr liberale Richter im Supreme Court würden das Land von Grund auf und auf ewig verändern; wenn sie den elf Millionen Illegalen im Land - "und keiner weiß, wie viele es sind, es könnten auch 30 Millionen sein" - Amnestie gewähre, würden die Republikaner nie mehr eine Wahl gewinnen. Am schlimmsten aber werde sein, dass unter Clinton keine konservativen Ideen mehr ausgedrückt werden dürften.
Unter der Gürtellinie
Für die langen Hauptsätze sind aber weder das Publikum noch Yiannopoulos gekommen. Es sind vielmehr die Nebensätze, die Zwischenbemerkungen, nach denen der selbst ernannte "sagenhafteste Schurke im Internet", der beim Reden viel und exzentrisch gestikuliert, immer wieder die Augen spitzbübisch nach oben verzieht und den Körper auf die Seite dreht, so als ob er einen Klaps auf den Hintern erwarten würde. Seine Witze, oft weit unter der Gürtellinie, sind armselig verschleiertes Kalkül. Der sonst stets durchgestylte Mann, der bei jeder Gelegenheit davor warnt, dass die Redefreiheit in den USA gefährdet ist, will den Olymp der politischen Inkorrektheit erobern, auf Biegen und Brechen.
Der "New Yorker" bezeichnet ihn in seiner aktuellen Ausgabe als "ruhmsuchenden Troll". Sein Repertoire reicht von - oft platten - Anspielungen auf Sex über die Herabwürdigung von Frauen ("Feminismus ist Krebs"), Hassbotschaften über Muslime und Linke bis zu morbiden Bemerkungen über Clinton ("Viele von uns hoffen, dass sie den Stuhl bekommt - den Rollstuhl natürlich, nicht den elektrischen, nein, den Rollstuhl, in den sie zurückfallen kann, nachdem sie elf Minuten gestanden ist"). Für Sätze wie diesen erhält er in Irvine Schenkelklopfer und Applaus.
Die Kasse klingelt
Yiannopoulos geht es nicht wirklich um die knapp 400 Menschen im Hörsaal. Er sucht die Masse: Jede seiner Veranstaltungen wird live gestreamt und in allen sozialen Medien vorher und nachher beworben - mit Millionen Klicks. Beobachter beunruhigt der Hass, der gesät wird, die Angstmacherei und nicht zuletzt, dass durch die Aufmerksamkeit, die Yiannopoulos erhält, Themen und Ansichten, die vorher lediglich am rechten Rand verbreitet waren, zunehmend in den US-Mainstream rücken.
Heute, hier in Irvine, erscheint das Enfant terrible aber mehr als schlapper Hanswurst. Der Hörsaal ist zweifellos gut gefüllt, aber nicht bis auf den letzten Platz. Den Zeter, den man hervorrufen wollte, gab es nicht: Gegendemonstranten blieben aus. Von den 2000 Personen, die angeblich auf der Warteliste für die Veranstaltung waren, nicht die geringste Spur. Aber es wäre nicht Yiannopoulos, wenn ihm am Ende nicht doch noch ein Coup gelungen wäre: Ein BBC-Reporter, der über die Veranstaltung berichtete, bat ihn zum Interview. Den Schlagabtausch der beiden interpretierte Yiannopoulus als hinterhältige Attacke der BBC. Ob man dem nun zustimmt oder nicht - in Yiannopoulos Welt gibt es ohnehin nur eine Währung: Klicks. Und seine Klasse klingelt weiter: Nach zwei Tagen haben das Interview alleine auf YouTube bereits mehr als 500.000 Menschen gesehen.