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Der Rechtsausleger

Von Gerhard Lechner

Politik

Millionär Naftali Bennett punktet mit Härte in der Siedlungspolitik.


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Jerusalem. Der Video-Spot ist kurz, eindringlich und hat eine klare Botschaft: "Es gibt Dinge, von denen wir alle wissen, dass sie nie passieren werden", stellt der Sprecher in dem Kurzfilm "Die Stabilitätsinitiative" gleich zu Beginn fest. So würde es zum Beispiel im Fernsehen keine neue Staffel der "Sopranos" geben. Und ebenso sicher, suggeriert der Comic-Film, werde es für Israel kein Friedensabkommen mit den Palästinensern geben. Warum? "Es ist ganz einfach nicht realistisch."

Der Mann, der hinter dem Film steht, ist erst 40 Jahre alt und befindet sich derzeit in Israel auf einem Höhenflug: Naftali Bennett schickt sich an, mit seiner nationalreligiösen Rechtsaußen-Partei "Jüdisches Heim" bei den anstehenden Wahlen zur Knesset am 22. Jänner die politische Szene seines Landes aufzumischen. In Umfragen liegt seine Partei stabil auf Platz drei - nur noch die beiden Traditionsparteien Arbeitspartei und Likud liegen vor Bennett. Schon wird über die Teilnahme des Newcomers an einer kommenden Regierung spekuliert - die israelische Tageszeitung "Haaretz" berichtete am Mittwoch unter Berufung auf zwei Abgeordnete der regierenden Likud-Partei, Bennett werde "eindeutig" ein "Hauptpartner in der nächsten Regierung" sein.

Damit könnte sich Israels Politik gegenüber den Palästinensern weiter verhärten. Denn Bennett ist ein Aktivist der jüdischen Siedlerbewegung. Für so etwas wie einen Palästinenserstaat, der "ewigen Unfrieden, Krieg und Blutvergießen" brächte, ist in seinem politischen Denken kein Platz: "Ich werde nicht freiwillig Selbstmord begehen", sagt er. Gespräche mit den Palästinensern nennt er "Geschwätz", das Westjordanland heißt bei ihm in biblischem Tonfall "Judäa und Samaria". Der möglicherweise baldige Koalitionspartner von Israels Premierminister Benjamin Netanyahu hat einst selbst für den Likud-Politiker gearbeitet: Der Millionär und frühere Chef eines Unternehmens im Softwarebereich, der auch in zwei Spezialeinheiten der israelischen Armee gedient hat, hatte 2007 als Stabschef Netanyahus erfolgreichen innerparteilichen Wahlkampf orchestriert. Nun könnte er seinem ehemaligen Chef zwar viele Wähler wegnehmen, ihm aber auch die Mehrheit in der Knesset sichern.

Plan zur Annexion

Dass Bennett in Israel auf so viel Echo stößt, hat auch mit dem Überdruss zu tun, der viele Israelis erfasst hat. Seit mehr als zwei Jahrzehnten versucht das Land, über den Verhandlungsweg zu einem Konsens mit den Palästinensern zu kommen. Sonderlich erfolgreich waren die verschiedenen Regierungen Israels dabei nicht - viele Israelis bevorzugen nun die undiplomatische und eindeutige Sprache Bennetts.

Der beruft sich in seinem Kurzfilm auf den zionistischen Geist des Landes, darauf, dass Israel sein Schicksal in die eigenen Hände nehmen müsse. Und er stellt einen "Annexionsplan" vor: Israel soll die sogenannte Region C des Westjordanlandes annektieren - das entspräche 60 Prozent des Landes. Dahinter stehen vor allem bevölkerungspolitische Überlegungen des ehemaligen Software-Herstellers: Im Sektor C, so zeigt Bennets Film, wohnen hauptsächlich jüdische Siedler. Den rund 150.000 Arabern im Sektor bietet Bennett die israelische Staatsbürgerschaft an - den übrigen 2,5 Millionen Palästinensern im Westjordanland würde Bennett zwar Autonomie zugestehen, aber keinen Staat. Und der Gazastreifen sollte überhaupt Ägypten zugeschlagen werden.

Zum schärferen Wind von rechts passt auch, dass Israel seine Siedlungspolitik weiter fortführt: Etwa 200 neue Häuser sollen in zwei Siedlungen im südlichen Westjordanland gebaut werden, gab das Bauministerium in Jerusalem am Mittwoch bekannt. Bereits 2012 soll laut der Organisation Peace Now ein Rekordjahr im Siedlungsbau gewesen sein: Fast 6680 neue Wohneinheiten im Westjordanland und im Ostteil von Jerusalem habe Netanyahus Regierung bewilligt. Die Chancen, dass der Likud-Chef als Premier wiedergewählt wird, stehen trotz des Korruptionsskandals um seinen Partner, den zurückgetretenen Ex-Außenminister Avigdor Lieberman, gut: Laut einer Umfrage kommt Netanyahu mit seinem Bündnis auf 33 Mandate und hat damit immer noch einen komfortablen Vorsprung auf die sozialdemokratische Arbeitspartei, die bei 17 Mandaten liegt. Vor allem aber sind Netanyahus Gegner zerstritten - während genug Parteien aus dem rechten und religiösen Lager als Koalitionspartner für Netanyahu in Frage kommen.