Ein Senior-Radrennfahrer hebt bei einer Siegerehrung die Hand zum Hitlergruß.
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Wien/Wels. Der Vorfall schaffte es binnen kurzer Zeit auch in die internationalen Medien: Am vergangenen Nationalfeiertag fand im oberösterreichischen Mondsee die Siegerehrung der diesjährigen "Austria Top Tour" statt, ein Radrenn-Sammelbewerb, bei dem einzelne Radwettbewerbe in ganz Österreich gewertet werden. In der Gruppe der Männer über 75 gewann ein begeisterter Senior, der Tiroler Johann U. Dessen Siegerehrung aber sorgte beim Publikum für Fassungslosigkeit: Nachdem er den Preis entgegengenommen hatte, soll U. ungeniert und "unmissverständlich" die Hand zum Hitlergruß erhoben haben. Damit nicht genug, denn der anwesende Moderator soll die Geste des Radlers Zeugen zufolge sogar in Schutz genommen haben, anstatt sich vom Vorfall zu distanzieren.
Die einschlägige Geste des Seniorsportlers und das kolportierte Verhalten des Moderators ist für den Wiener Anwalt Bernhard Kopeinig nicht hinnehmbar. Zusammen mit dem als Ehrengast geladenen Mondseer Bürgermeister Karl Feurhuber war Kopeinig Zeuge des Vorfalls. Er hat nun bei der Welser Staatsanwaltschaft Anzeige gegen beide Beschuldigten eingebracht - wegen mutmaßlicher NS-Wiederbetätigung. Der "Wiener Zeitung" liegen die entsprechenden Schreiben vor, ebenso wie ein Video, das Kopeinig gegen Ende der Siegerehrung aufgenommen hat. Was darin zu lesen und zu sehen ist, belastet sowohl den Senior-Champignon als auch den Moderator schwer.
In einer Aussendung stellt Letzterer sein Verhalten nämlich ganz anders dar, als dies besagte Zeugen schildern. Er habe den Vorfall gar nicht "live gesehen", ist darin zu lesen. Erst durch die Unruhe im Saal und Zwischenrufe sei er aufmerksam geworden, dass etwas vorgefallen war, was genau, sei ihm aber erst nach dem Ende der Moderation geschildert worden. Er habe versucht, die "brodelnde Stimmung im Saal zu beruhigen" und habe dem Publikum erklärt, dass der Vorfall im Anschluss aufgeklärt werde. Der Moderator sieht sich als "Sündenbock" für den Eklat. Das sehen die Zeugen anders.
"Legitime Meinungsäußerung"
Gemeinsam mit dem Veranstalter habe er sich am Ende der Veranstaltung auf der Bühne deutlich vom Vorfall distanziert, behauptet der Moderator weiter. Just diesen Zeitraum aber hat Anwalt Kopeinig mit dem Handy dokumentiert. Zu sehen ist jedoch nur der Veranstalter, der sich deutlich hörbar vom Vorfall distanziert. Der Moderator räumt indes im Hintergrund auf und rollt Kabel zusammen. Von seiner behaupteten Distanzierung ist nichts zu sehen oder zu hören. Der Moderator habe "in einer ausführlichen Rede" die Geste des Siegers U. "nicht nur gerechtfertigt, sondern auch gutgeheißen", ist in der vorliegenden Anzeige zu lesen. Auch habe es keine "brodelnde Stimmung" oder "Zwischenrufe" gegeben. Im Gegenteil, die Anwesenden seien vom Hitlergruß des Siegers so schockiert gewesen, dass Stille im Saal geherrscht habe. Der einzige Zwischenruf sei von Kopeinig selbst gekommen, "abgesehen davon gab es keinen einzigen Zwischen- oder Buh-Ruf".
Zudem sei der mutmaßliche Täter ohnehin für derartige Aktionen bekannt, soll der Moderator sinngemäß gesagt haben, seine Geste sei eine "legitime Meinungsäußerung im Rahmen einer Sportveranstaltung" gewesen. Solange er moderiere, würde er dies zulassen, außerdem habe das "Kreuzerlsetzen" bei der letzten Wahl eine derartige "Meinungsäußerung" zusätzlich legitimiert. Wer damit ein Problem habe, könne ja aufstehen und gehen - so weit die Schilderung von Kopeinig und dem Mondseer Bürgermeister Feurhuber laut Anzeige. Dass der Moderator sich nicht vom Vorfall distanzieren wollte, sagt aber auch ein weiterer Zeuge. Gegen Ende der Ehrung habe er vom Moderator gefordert, sich von den Vorfällen zu distanzieren, doch dieser habe sich "explizit dagegen geweigert", ist in der Anzeigeneingabe zu lesen. Er sei in der bisherigen Berichterstattung zum Fall nicht von den Medien befragt worden, deshalb wolle er auch jetzt keine Stellungnahme abgeben, sagt der Moderator zur "Wiener Zeitung". Der beschuldigte Radler selbst war am Mittwoch telefonisch nicht erreichbar. Herr U. sei der Sieg in seiner Altersklasse bereits aberkannt worden, über ihn wurde lebenslanges Antrittsverbot bei der "Austria Top Tour" verhängt worden, heißt es seitens des Veranstalters. Auch mit dem zweitbeschuldigten Moderator, der das Event seit mehreren Jahren betreut, wolle man künftig nicht mehr zusammenarbeiten.
Einschlägige Geste auch 2012
Dass der Senioren-Rennradler auch in der Vergangenheit politisch nicht gerade unauffällig war, zeigt ein Eintrag auf der Webseite der Union UGB Woergl, dem Verband, für den der Tiroler fährt. Das Siegerfoto des Zeitfahr-Wettbewerbs in Zillingdorf Ende September 2012 zeigt U. in der selben Pose wie in Mondsee. Ob es damals ebenso zu Protesten kam, ist unklar, eine Anzeige liegt jedoch nicht vor. Das Büro von Anwalt Kopeinig holt dies jetzt nach, auch zum mutmaßlichen Hitlergruß 2012 wurde Anzeige bei der Staatsanwaltschaft eingebracht. Der Vorfall wäre nämlich laut Verbotsgesetz noch nicht verjährt. Dem Vernehmen nach ermittelt inzwischen auch der Verfassungsschutz gegen den Tiroler. Von U. verfasste "offene Briefe" an den ehemaligen Umweltminister Josef Pröll oder an die "Kronen Zeitung" strotzen vor antisemitischen und schwulenfeindlichen Aussagen.
Ebenfalls auf der Internetseite der Union UGB Woergl hetzte U. in der Vergangenheit gegen Zuwanderer und Muslime, die er als "menschlichen Abschaum" bezeichnet und für die er die Todesstrafe fordert. Videos seiner vergangenen Radsport-Triumphe unterlegt der Tiroler mit preußischer Militärmusik. Die Webpage ist inzwischen offline. "Die Heimseite bleibt so lange geschlossen, bis der letzte der im intellektuellen Souterrain vegetierenden Kommentatoren an seinem eigenen Geifer erstickt ist!!", ist nun dort zu lesen. Für beide Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung.