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Christoph Leitl weiß, was Österreichs Medien mögen. Deshalb lieben ihn auch die Medien. Das ist nur gerecht. Wer das nicht versteht, versteht nicht, wie dieses Land tickt.
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Sein zähnebleckendes Lächeln ist ebenso legendär wie sein Drang an die Öffentlichkeit. Nein, Christoph Leitl ist keiner, der mit seiner Meinung hinterm Berg hält; und schon gar nicht ist er um Ratschläge an die eigene Partei und die ganze Nation verlegen.
Die kreisen dabei stets um sein großes Lebensthema: reformieren - das Land, den Föderalismus, die Verwaltung, das Bildungssystem, die Finanzmärkte und noch etliches mehr. Entsprechend beliebt ist der mittlerweile 61-jährige Präsident der Wirtschaftskammer bei den Journalisten. Leitl weiß, was Österreichs Medien wollen.
Und also verstößt der gebürtige Oberösterreicher mit Inbrunst gegen die offizielle Parteilinie: In der Bawag-Affäre hielt er aus alter Verbundenheit dem am Schluss sogar von der eigenen Partei verstoßenen Ex-OGB-Chef Fritz Verzetnitsch bis zuletzt die Stange; in der Bildungspolitik steht er der SPÖ näher als seiner eigenen Partei; er war der höchstrangige bekennende ÖVP-Fan von Bundespräsident Heinz Fischer bei dessen Wiederkandidatur; und jetzt liegt er mit Kanzler Werner Faymann auf einer Linie: beide sprechen sich zur Not auch für einen Alleingang bei der Einführung einer Transaktionssteuer aus. Natürlich gegen die ÖVP-Parteilinie.

Leitls Stil mag vielleicht viele Funktionäre vor den Kopf stoßen, bei den Bürgern kommt er aber hervorragend an. Laut einer OGM-Umfrage vom Juli 2009 ist er der mit Abstand vertrauenswürdigste Sozialpartner. Und bei den Wirtschaftskammerwahlen konnte der Wirtschaftsbund heuer mit Leitl als Spitzenkandidaten seine eindrucksvolle Vormachtstellung sogar noch einmal leicht ausbauen - auf nun 71 Prozent.
Der ehemalige oberösterreichische Finanzlandesrat, der 2000 nach Wien wechselte, ist also durchaus in einer Position, die Selbstvertrauen rechtfertigt. In der ÖVP wird durch die Bank respektiert, dass der glühende EU-Fan als Kammerpräsident tadellose Figur macht. Tatsächlich ist sein Verhältnis zu ÖVP-Obmann Josef Pröll durchaus belastbar. Das war nicht immer so: Leitls Beziehungen zu Wolfgang Schüssel und Wilhelm Molterer waren mehr als unterkühlt, ja manchmal sogar offen feindselig.
Was die sachpolitische Konzeptarbeit angeht, blicken manche in der Volkspartei jedoch voller Neid auf die roten Sozialpartner, wo vor allem die Arbeiterkammer elementare Grundlagenarbeit für die SPÖ leistet. Wirtschaftspolitisch hat die ÖVP dem keinen gleichwertigen Think tank entgegenzusetzen.
Leitls Kammerreform 2000 fiel die wirtschaftspolitische Abteilung der WKO zum Opfer; einige Versuche, außerhalb der Kammer Ersatz zu konstruieren, scheiterten kläglich. Einmal zu viel reformiert.