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Ob wir es wollen oder nicht - wir werden gerade Zeugen des größten wirtschaftswissenschaftlichen Experimentes der jüngeren Menschheitsgeschichte. Anstatt der üblichen Versuchskaninchen werden allerdings 300 Millionen US-Bürger unmittelbar zu spüren bekommen, was in den Labors der US-Notenbank ausprobiert wird.
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Die Versuchsanordnung ist relativ einfach: Die Zentralbanker in Washington probieren nämlich aus, ob die Menschen in den USA irgendwie wohlhabender werden, wenn massenhaft kleine Papierfetzen bedruckt werden. Bereits zum zweiten Mal seit Ausbruch der Weltwirtschaftskrise hat die US-Notenbank Fed am Mittwoch so 600 Milliarden Dollar aus dem Nichts bereitgestellt, in der eigentümlichen Hoffnung, dieses frisch gedruckte Geld werde den Konsum erhöhen, damit zu Investitionen und dem Entstehen von Arbeitsplätzen führen.
Ein frommer Wunsch. Im Grund haben wir es da freilich mit einer Art von Aberglauben zu tun, vergleichbar etwa den Regentänzen mancher Buschbewohner. Denn dass Wohlstand eben nicht durch das rituelle Bedrucken von Papier entstehen kann, wird jeder halbwegs aufgeweckte Hauptschüler verstehen. Dass die Amerikaner derzeit vergleichsweise wenig konsumieren, liegt ja nicht an einem allgemeinen Mangel an Liquidität, sondern schlicht und einfach daran, dass sie jahrzehntelang über ihre finanziellen Verhältnisse gelebt haben.
Dieser Überkonsum muss nun durch Sparen und Unterkonsum ausgeglichen werden; die Haushalte müssen gleichsam wieder ihre Bilanzen in Ordnung bringen. Was umso schwerer fällt, als ja auch die Hauspreise gesunken sind und der Arbeitsmarkt in schlechter Verfassung ist. Dass Unternehmen in einer derartigen Lage nicht investieren und in der Folge keine Jobs schaffen, ist nicht weiter verwunderlich.
Dass deshalb die Chancen, die Wirtschaft einfach mittels rasend rotierender Notenpressen nachhaltig gesunden zu lassen, eher dürftig sind, begreift mittlerweile ein erheblicher Teil der Amerikaner. Zentrales Anliegen der Tea Party im republikanischen Umfeld ist ja, die Staatsverschuldung radikal zu reduzieren und damit auch die Gelddruckerei zu beenden. Wie das Ergebnis der Wahlen vom Dienstag gezeigt hat, erfreut sich diese Einstellung in den USA bereits einer gewissen Beliebtheit. Denn auch die einfachen Amerikaner ahnen, dass die Fed mit ihrem Experiment enorme Risiken eingeht. All die frisch gedruckten Milliarden werden natürlich auf die Suche nach den höchst möglichen Renditen gehen. Das Entstehen neuer Blasen wird damit quasi staatlich gefördert; dass diese Blasen irgendwann platzen werden, ist nicht sehr schwer zu prognostizieren. Auch dass die frisch gedruckten Banknoten die Inflationsraten hochtreiben werden, wäre nicht überraschend.
Im Grunde gleicht das Experiment der Fed, aus Papier Wohlstand zu schaffen, jenem der Alchemisten, die glaubten, Gold aus Eisen schaffen zu können. Genau so wird das Experiment auch ausgehen: Reichtum lässt sich nicht herbeitricksen. Die Versuchskaninchen scheinen das besser zu wissen als die gelehrten Alchemisten in den Notenbanken.