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Der Reiz der Reizwäsche

Von Christina Böck

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Was man eigentlich sehr selten sieht: Männer, die sich aus Protest ausziehen. Männer ziehen sich aus, weil sie Werbung für ein Parfum machen, das sie auf ihren makellosen Sixpack sprühen. Oder sie ziehen sich aus, weil ihnen heiß ist. Meistens ohne Waschbrettbauch. Frauen hingegen ziehen sich recht häufig aus Protest aus. Man kennt das von den Slut Walks, in denen schlampig bekleidete Frauen dafür kämpfen, dass Vergewaltigungsopfer nicht für die Tat verantwortlich gemacht werden. Die Frauenrechtegruppe "Femen" legt überhaupt den BH ab. Den BH an lässt eine Frau in einem neuen Werbevideo. Erst sieht man nur die langen Beine in den roten High Heels und den roten Strümpfen, dann das rote transparente Spielhoserl über grüner Wäsche. Erst zum Schluss bekommt die Dame, die hier über den verschneiten Roten Platz stakst, ein Gesicht. Also eigentlich keines: Sie trägt eine Pussy-Riot-Sturmhaube und ein Schild mit der Aufschrift "Free Pussy Riot". Im Abspann steht dann: "Sponsored by blush Lingerie". Das ist eine Berliner Dessousfirma, die gerne mal ironische politische Kommentare gibt. Etwa fiel ihnen - originell - etwas zum Thema Stimulationspaket der deutschen Bundesregierung ein. Wegen Reizwäsche und so. Nun ist nicht nur die Frage, wie viel Ironie im Fall Pussy Riot angebracht ist. Es ist auch die Frage, wie geschmackvoll es ist, sich die Sache von politischen Gefangenen anzueignen, um damit Kommerzialisierung erster Güte zu betreiben. Denn das ist es doch, was dieser Werbespot sagt: Sei wehrhaft, aber schau drauf, dass du ein sexy Hoserl dabei anhast.