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Tomas Oral, eben neu bestellter Coach des taumelnden deutschen Zweitligisten FSV Frankfurt, hat ein ziemliches Problem. Nicht etwa weil sein Neo-Klub seit elf Spielen - zuletzt gegen Union Berlin - nicht mehr gewonnen hat. Oder weil Frankfurt in der Tabelle auf die Relegationsplätze abgerutscht ist. Das ist eine ernste Herausforderung, aber nicht unbedingt ein Problem. Vielmehr ein wirkliches Problem ist es, wenn ein Coach, der seine Höhen und Tiefen hatte, plötzlich über Nacht von Funktionären, Fans und dem Boulevard auf den Schild gehoben und zum neuen Messias erklärt wird.
Von einem "Befreiungsschlag" war in den Medien zu lesen, dem "Retter" aus Ochsenfurt und Oral, dem "letzten Strohhalm", an den sich nun der FSV klammere. So nachvollziehbar diese Euphorie für einen Mann, der mit Frankfurt schon einmal - zwischen 2006 und 2009 - als Trainer Erfolge gefeiert und den Aufstieg vom Landes- zum Zweitbundesligisten geschafft hatte, auch ist, so gefährlich und naiv ist aber auch die Annahme, ihm werde dieses Kunststück auch jetzt gelingen.
Tatsächlich ist aber Oral an der Hagiographie, die da von ihm gezeichnet wird, nicht so ganz unschuldig. Einerseits hatte der 42-Jährige zwar betont, "kein Zauberer" zu sein, andererseits aber auch durch Aussagen, wonach er den FSV-Schleudersitz als "Herzensangelegenheit" bezeichnete, große Hoffnungen geschürt. Zur Rolle des Messias scheint daher auch seine etwas ungewöhnliche Maßnahme zu passen, die Spieler beim ersten Training gleich einmal durch die Waschanlage einer benachbarten Tankstelle laufen zu lassen. Um sie von allem "reinzuwaschen", wie Oral erklärte.
So wie bei der Taufe also? Die Vermutung ist so abwegig nicht. Orals Eltern sind aramäische Christen. Hilfe von oben wird der Trainer jedenfalls brauchen.