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Russland gleicht schwächere Nachfrage in Osteuropa aus, Deutschland im Visier.
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Wien. In vierter Generation führt Erwin Kotányi den gleichnamigen Gewürzhersteller. Begonnen hat die Firmengeschichte in Ungarn mit Paprikagewürz. Heute sind Gewürzmischungen und -mühlen gefragt. Der 56-Jährige über Preisdruck durch Billigprodukte, die misslungene Expansion in die Türkei und Fertigpizzas.
"Wiener Zeitung": Kotányi verkauft Gewürze in 20 Ländern. Unterscheiden sich die Gewürzvorlieben in diesen Ländern?Erwin Kotányi: Pfeffer ist in allen Ländern unser am meisten verkauftes Gewürz. Piment wird beispielsweise in Österreich relativ wenig gekauft. In osteuropäischen Ländern wie Polen oder Russland zählt es zu unseren Top-
10-Produkten, weil es für landestypische Krautgerichte verwendet wird. Für die Nationalspeisen kreieren wir spezielle Mischungen, etwa für Borschtsch oder für Schaschlik in Russland. Selbst bei Brathuhngewürzen gibt es Unterschiede: Die Russen essen ihr Brathuhn gerne mit Knoblauch.
Wie entwickelt sich der Geschmack der Österreicher?
Der Absatz vom klassischen Paprika fürs Paprikagulasch geht zurück. Dafür verkaufen wir mehr Kräuter für die italienische Küche wie Oregano, Basilikum und Rosmarin, genauso wie Cumin und Kurkuma für asiatische Gerichte.
Einige österreichische Familienunternehmen wie Niemetz stecken derzeit in finanzieller Not. Wie steht Kotányi da?
Kotányi steht gut da. Wir machen ausreichend Cashflow, dass wir die Expansion aus eigener Kraft finanzieren können. Wir haben ein Potenzial von 20 Märkten. Wenn es in einem Land einmal nicht so läuft, können wir das mit einem anderen wachsenden Markt - wie zuletzt Russland - kompensieren. Ohne Frage wäre unser Wachstum noch stärker, hätte es die Wirtschaftskrise nicht gegeben. Handelsketten wie Tesco und Carrefour haben ihre Expansion in Osteuropa zurückgefahren, und wir brauchen Verkaufsflächen für unsere Produkte.
Wie erleben Sie den Preisdruck durch Eigenmarken und Diskonter?
Der Preis wird für Konsumenten auch bei Gewürzen zunehmend wichtiger. Wenn Lidl und Aldi in Osteuropa hunderte Filialen eröffnen, in denen Kotányi nicht gelistet ist, dann spüren wir das. Wir versuchen das, was uns der Diskont wegnimmt, durch Produktinnovationen wie die Gewürzmühlen zu kompensieren.
Haben sich die Gewürzpreise von der Preisexplosion der vergangenen Jahre wieder erholt?
Die Gewürzpreise haben in den vergangenen drei Jahren einen Aufwind bekommen, den es vorher noch nie gegeben hat. Teilweise hat sich das Niveau verdrei- oder vervierfacht. Muskatnuss hat fast utopische Preise durch einen Hurrikan im Hauptanbauland Grenada erreicht. Neben Preissteigerungen durch schlechte Ernten beeinflussen inzwischen viele andere Faktoren den Preis. Alternative Anbaumöglichkeiten, etwa Energiesaaten wie Mais, werden für Bauern interessant, wenn sie in Gewürzen keine Ertragsmöglichkeiten mehr sehen. Der Anbau von Paprika ist heikler und riskanter als der von Mais.
Wie ist die Preissituation beim wichtigsten Gewürz, Pfeffer?
Mit Pfeffer wird massiv spekuliert. Das führt zu einem Preisniveau, das nicht gerechtfertigt ist. Dazu kommt es, weil Pfeffer gelagert werden kann und weil finanzstarke Firmen dahinterstehen, die tausende Tonnen Pfeffer zurückhalten können. Ich sehe momentan keinen neuerlichen Preisanstieg bei den Rohstoffen, aber auch keinen Rückfall auf das alte Niveau. Bei Paprika erwarte ich weitere Preissteigerungen.
Werden Ihre Gewürze für die Konsumenten heuer teurer?
Wir haben heuer europaweit keine Preissteigerungen geplant. Teile des Sortiments wurden im Vorjahr teurer.
Die Industrie klagt über die hohen Produktionskosten in Österreich. Steht es für Sie zur Debatte, die Kotányi-Produktion oder Teile davon ins Ausland auszulagern?
Das ist für uns kein Thema. Die Produktion ist stark automatisiert, damit sind die Lohnkosten für Kotányi nicht das große Thema. Am Produktionsstandort in Wolkersdorf haben wir ausreichend Fläche. Uns beschäftigten die Zölle. Um die Zollsätze nach Russland zu reduzieren, müsste man nicht nur im Land abpacken, sondern die komplette Bearbeitung dorthin verlagern. Das rechnet sich erst bei gewaltigen Mengen.
In welchen Ländern sehen Sie das größte Wachstumspotenzial?
Russland ist Wachstumsmarkt Nummer eins. Im Fokus steht derzeit auch Deutschland. Das Ziel ist, dort fünf Prozent Marktanteil in den nächsten drei Jahren zu erreichen. Wir haben ein Dosensortiment mit Nachfüllbeuteln auf den Markt gebracht, weil die Deutschen diese Art der Gewürzverpackung gewöhnt sind.
In Serbien, Bulgarien und Ukraine wächst Kotányi derzeit nicht. In drei bis fünf Jahren werden es aber wahrscheinlich gerade diese Länder sein, die zum Wachstum beitragen. In Ungarn und Tschechien bin ich schon zufrieden, wenn wir die Märkte halten können. Dort sind Diskonter und Eigenmarken sehr stark. Generell gibt es in Osteuropa zwei bis drei Firmen, die für Zukäufe in Frage kommen. Aktuell steht aber keine Übernahme an.
In Österreich verzeichnen wir trotz sehr hohen Marktanteils auch noch Umsatzsteigerungen. Der Markt ist gesättigt, wir wachsen durch Produktinnovationen.
Ihre Expansion in die Türkei hat mehrere Millionen Euro gekostet. Doch die Umsätze blieben hinter den Erwartungen. Was ist passiert?
Wir waren in der ganzen Türkei in tausenden Geschäften mit einem eigens entwickelten Sortiment mit Sichtfenster-Verpackungen vertreten. Die Akzeptanz beim türkischen Konsumenten war leider weit geringer, als wir uns erhofft haben, offenbar sind die Türken loyal gegenüber den ihnen bekannten Marken. Der Regalplatz der Gewürzmischungen neben Fertig-Produkten war nicht ideal, dazu kamen Probleme an der Grenze. 2012 musste ich die Notbremse ziehen. Wir bieten dort aber noch ein Premium-Sortiment mit Mühlen und Gläsern an.
Der Umsatz ist im Vorjahr von 135 auf 138 Millionen Euro gestiegen. Welches Ziel haben Sie für heuer gesetzt?
Heuer sollen die 140 Millionen Euro überschritten werden. Früher hätte ich ohne Probleme 145 Millionen gesagt, aber da haben wir auch noch mit höheren Wachstumsraten gerechnet.
Wie wirkt sich der Trend zu fertigen Gerichten auf Ihr Geschäft aus?
Convenience ist ein Riesenthema, mit dem wir uns beschäftigen. Wir sind kein Lieferant der großen Nahrungsmittelerzeuger, sondern auf den Endverbraucher und die Gastronomie konzentriert. Wir haben eine Gewürzmischung mit Bratfolie für Huhn entwickelt. Sogar Fertiggerichte werden nachgewürzt, zum Beispiel landet einiges vom Pizzagewürz auf Fertigpizzas. Wir wollen der Geschmackgeber bleiben und nicht Einheitsbrei verkaufen.
Zur Person
Erwin Kotányiübernahm 1981 - im Jahr des 100-jährigen Firmenjubiläums - im Alter von 24 Jahren die Leitung des gleichnamigen Gewürzherstellers mit Sitz in Wolkersdorf (Weinviertel). Kotányi beschäftigt 540 Mitarbeiter und erwirtschaftete im Vorjahr 138 Millionen Euro Umsatz. 30 Prozent des Umsatzes werden in Österreich gemacht, der zweitgrößte Markt ist Russland.