Öffnung der Ehe für Homosexuelle als beste Absicherung gegen "Ehe Light" für Heterosexuelle? | Einige Tücken auch in Berger-Entwurf enthalten. | Interessensvertretung lehnt Zwischenlösung ab. | Wien. Eigentlich schien es beschlossene Sache zu sein. Der Entwurf von Justizministerin Maria Berger zur eingetragenen Partnerschaft für Homosexuelle hätte noch im Juni das Parlament passieren, das Lebenspartnerschaftsgesetz mit 1. Jänner 2009 in Kraft treten sollen. So sah es zumindest das vor zwei Wochen präsentierte Neustart-Paket der Regierung vor.
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Doch mit dem Schwenk von ÖVP-Chef Wilhelm Molterer, der sich doch nicht mit der Eintragung am Standesamt anfreunden kann, ist alles wieder anders. Nun werden erneut die verschiedenen Modelle debattiert und erneut bleibt ein ganzer Rattenschwanz an Fragen offen.
Der Berger-Entwurf zielt großteils auf zivilrechtliche Bestimmungen ab. Um die Gleichstellung homosexueller Partnerschaften auch in anderen Lebensbereichen - etwa, was Sozialleistungen, Wohnbauförderung oder Witwenpensionen betrifft - zu gewährleisten, müssen zahlreiche andere Bundes- und Landesgesetze geändert werden. Laut dem Vorsitzenden des Homosexuellenvereins Rechtskomitee Lambda, Helmut Graupner, wäre eine Generalklausel, die den Ehebegriff in allen Gesetzen - abgesehen vom Adoptionsrecht - mit der eingetragenen Partnerschaft gleichstellt, sinnvoller gewesen. Denn sonst sei die Gefahr zu groß, dass das eine oder andere Gesetz gleichsam vergessen wird - mit unabsehbaren Folgen.
Gleichstellung bei Pension
So hat der Europäische Gerichtshof vergangene Woche entschieden, dass, wenn nach nationalem Recht (in dem Fall Deutschland) eine eingetragene Partnerschaft möglich ist, die Lebenspartner Ehegatten gleichstellt, die homosexuellen Lebenspartner auch pensi onsrechtlich Ehegatten gleichgestellt werden müssen - Arbeitgeber und Pensionskassen dürfen Witwenpensionen demnach nicht auf heterosexuelle überlebende Ehepartner beschränken.
Der Entwurf sieht zudem vor, dass eingetragene Partnerschaften bereits nach drei Jahren aufgelöst werden können, auch wenn sich ein Partner weigert - bei Ehen kann dies unter Umständen erst nach sechsjähriger Wartefrist möglich sein. Problematisch ist das deshalb, weil Homosexuelle hier gegenüber Heterosexuellen besser gestellt werden. Um Diskriminierungen zu vermeiden, wäre dann eine Öffnung der eingetragenen Partnerschaft für Heterosexuelle nur mehr eine Frage der Zeit. Und dies ist genau jene "Ehe light", die die ÖVP verhindern will. "Je weiter sich die eingetragene Partnerschaft von der Ehe entfernt, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Heterosexuellen das auch wollen", meint Graupner.
Auch der ÖVP-nahe Familienbund hält die Öffnung der Ehe für die beste Lösung. "Ich möchte nicht, dass Homosexuelle mehr Privilegien haben als Heterosexuelle", sagt Bundesgeschäftsführerin Alice Pitzinger.
Weder die Ehe noch die Eintragung am Standesamt kommt hingegen für den Katholischen Familienverband in Frage. Dort hätte man eine punktuelle Gleichstellung - wie es sie jetzt etwa in Wien beim Eintrittsrecht in Mietverträge mit der Gemeinde schon gibt - favorisiert. Wenn aber ein eigenes Rechtsinstitut geschaffen wird, soll dieses im Gesellschafts- und nicht im Familienrecht angesiedelt sein, meint Thomas Kloiber vom Familienverband.
Familienbund für Ehe-Öffnung
Die "Ehe Light" kann laut Kloiber durch die materielle Gleichstellung mit heterosexuellen Ehen erreicht werden. Für eine "Ehe Light" sprechen sich die Grünen aus, die einen Zivilpakt vorschlagen, der für gleichgeschlechtliche Paare wie auch für Mann und Frau offen stehen soll. Zudem sieht dieses Modell vor, die Stief- und Fremdkindadoption auch für Homosexuelle zu öffnen - eine Option, mit der sich ÖVP und Familienorganisationen gar nicht und die SPÖ nur in Bezug auf Stiefkinder anfreunden können.
Graupner geht allerdings davon aus, dass Adoptionen durch die Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ohnehin irgendwann möglich sein werden. Laut dem Experten müssen schon jetzt etwa homosexuelle Niederländer, die auf Basis der dortigen Gesetzgebung ein Kind adoptiert haben und damit nach Österreich ziehen, hierzulande beide als vollwertige Elternteile akzeptiert werden.
Herkunftsland entscheidend
Ein weiteres Kuriosum: In Österreich wird die Heiratsfähigkeit von Ausländern auf Basis der Gesetzgebung des Heimatlandes beurteilt - außer, sie verstößt gegen fundamentale Wertordnungen der österreichischen Kultur (Stichwort: Polygamie). Wenn also zwei homosexuelle Spanier - in Spanien steht die Ehe gleichgeschlechtlichen Paaren offen (siehe Kasten) - in einem österreichischen Standesamt heiraten wollen, dann dürften sie das theoretisch. Vorgekommen ist ein solches Ansinnen aber noch nicht.
Trotz der sichtlich sehr komplexen Materie wollen die Homosexuellenorganisationen eines auf jeden Fall vermeiden: Eine Zwischenlösung. "Bevor wir sozialrechtlich wieder benachteiligt sind, sollen sie lieber die Finger davon lassen", meint Graupner Richtung Regierung. Pitzinger vom Familienbund befürchtet jedoch genau das: "Es wird sicher irgendeine Kompromisslösung geben, die für alle Seiten unbefriedigend ist".
+++ Wissen: Rechtslage und Nutzung in Europa
(kats) Der Großteil der mittel- und westeuropäischen Länder hat für Homosexuelle zumindest eine punktuelle Gleichstellung mit heterosexuellen Partnerschaften geschaffen In den Niederlanden wurde die Zivilehe 2001 für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet, in Belgien 2003 und in Spanien 2005. In Dänemark und Schweden befinden sich derzeit ähnliche Gesetze in Begutachtung.Die Möglichkeit, Partnerschaften oder Ehen einzugehen, wird in den verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich genutzt, Spitzenreiter waren - zumindest in den ersten Jahren - Großbritannien und Belgien. Meist wird die Möglichkeit einer eingetragenen Partnerschaft in den ersten Jahren hauptsächlich von Männerpaaren genutzt, Frauenpaare entschließen sich erst später dazu.