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Der Rosenkrieger Giuliani gibt sich als reuiger Sünder

Von Peter Wütherich

Politik

Privatleben Thema im US-Wahlkampf um konservative Wähler. | Washington. (afp) In den Wahlumfragen stürmte Rudolph Giuliani ganz nach vorne, nun holen ihn private Probleme ein. Der frühere New Yorker Bürgermeister rechnet sich gute Chancen auf die Nachfolge von Präsident George W. Bush im nächsten Jahr aus. Die Wähler schätzen seine markigen Sprüche. Was ihn in Gefahr bringt, ist sein Privatleben.


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Viele erinnern sich an seine schmutzige Scheidung und wollen mehr über sein desolates Familienleben wissen. Giuliani will die Flammen austreten, bevor sie sich ausbreiten. Seit Tagen tingelt er als Büßer durch die Talkshows und bedauert seine privaten Fehltritte. Seine Botschaft: Auch ein Sünder kann ein guter Präsident sein.

"Privat habe ich Fehler gemacht", bekannte er ungewohnt zahm im Sender CNN. "Der Weg war holprig. Ich bereue meine Fehler." Dabei ist Giulianis aufbrausendes und streitbares Naturell legendär. Mit allen legte er sich an: Journalisten, Politikern, Ehefrauen. Mehr als einmal kam er gefährlich nahe an den Punkt, sich lächerlich zu machen - etwa in seiner Zeit als Bürgermeister, als er per Pressekonferenz seiner zweiten Frau mitteilte, dass er sich von ihr trennen werde. Zornig unterstellte ihm die brüskierte Frau Ehebruch mit einer Mitarbeiterin. Der Rosenkrieg der Giulianis unterhielt das Publikum wochenlang.

Riskant ist für Giuliani, dass viele US-Wähler nicht zwischen privatem und öffentlichem Leben ihrer Politiker unterscheiden wollen. In der jüngsten Gallup-Umfrage bezeichneten es 52 Prozent der befragten Republikaner als "unbedingt notwendig", dass der Präsident ein treuer Ehegatte sei. Nur zehn Prozent der Befragten nannten "Kompetenz" als wichtige Eigenschaft.

Wer einmal lügt . . .

Präsidenten sollen also auch im Privatleben ein Vorbild sein - ob sie wollen oder nicht. Der drei Mal verheiratete Giuliani indessen habe "seine Frauen angelogen, wie soll man da sicher gehen, dass er nicht auch die Wähler anlügt?", fragte der Kirchenführer Richard Land von den protestantischen Southern Baptists, die eine wichtige Wählergruppe von Giulianis Republikanern sind.

"Man kann nicht als Präsident kandidieren, ohne dass die gesamte Familie genauestens unter die Lupe genommen wird", sagt Larry Sabato, Politikprofessor an der University of Virginia. "Giuliani muss sich daran gewöhnen, oder er muss aus dem Rennen aussteigen." In den vergangenen Wochen versagte ihm sein Sohn Andrew aus der gescheiterten zweiten Ehe öffentlich die Unterstützung im Wahlkampf und wies auf das schlechte Verhältnis zu seiner Stiefmutter hin, Giulianis dritter Frau Judith Nathan. "

Kurz darauf enthüllte die New Yorker Boulevard-Presse, dass Judith Nathan vor ihrer Ehe mit Giuliani schon zwei Mal verheiratet war und nicht wie bisher bekannt nur einmal. Etwas später kündigte Giuliani in einem unbedachten Moment während eines TV-Interviews an, als Präsident natürlich seine Frau an den Kabinettssitzungen teilnehmen zu lassen. Die Presse porträtierte die gelernte Krankenschwester daraufhin spöttisch als seine graue Eminenz.

Kissinger für McCain

Giuliani gab inzwischen bekannt, dass er nach langer Funkstille wieder Kontakt zu seinem Sohn aufgenommen hat. "Solche Mischfamilien stellen einen vor Probleme und Herausforderungen, die aber am besten privat gelöst werden."

Ob Giuliani tatsächlich ins Weiße Haus einzieht, wird von der Nachsicht der religiösen und traditionsgebundenen Republikaner abhängen, ohne deren Stimmen er keine Chance hat. Derzeit sorgt noch sein Ruhm als beherzter Krisenmanager nach den Anschlägen auf das New Yorker World Trade Center am 11. September 2001 dafür, dass er im parteiinternen Rennen um die Präsidentschaftskandidatur laut Umfragen mit 37 Prozent der Stimmen klar in Führung liegt.

Der abgeschlagene Konkurrent John McCain erhielt Mittwoch prominente Hilfe von vier früheren US-Außenministern: Henry Kissinger, Alexander Haig, George Shultz und Lawrence Eagleburger unterstützen die Bewerbung des Senators.