Kern hat das Duell gegen Kurz um Platz eins klar verloren. Es ist das Ende eines verkorksten Wahlkampfs.
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Wien. Christian Kern hat den Kampf um Platz eins klar verloren. Zwar fiel der Abstand zu seinem schwarzen Kontrahenten Sebastian Kurz nicht so groß aus wie in den Umfragen prophezeit. Aber Kern hat sein ausgegebenes Ziel, die Kanzlerschaft, nicht erreicht und rangiert nur knapp vor den Freiheitlichen auf Platz zwei. Für die SPÖ scheint der Gang in die die Opposition derzeit realistischer zu sein als eine Koalition mit Schwarz oder Blau.
Von der SPÖ wurde am Sonntagabend das Prinzip Hoffnung beschworen. Zugleich kam von den roten Landesparteien Zuspruch für Kern. Der sei "unbestritten", sagte etwa Wiens Bürgermeister Michael Häupl. Er habe als Person einen guten Wahlkampf geführt. Kern solle die SPÖ weiter anführen, meinte auch der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl, der ansonsten eher gegen die Linie der Bundespartei arbeitet.
Kern selbst sagte, er habe einen "relativ präzisen Plan" wie es weitergeht und ließ keine Zweifel aufkommen, dass er die Partei weiterführen möchte. Auch in der Opposition. Zehn Jahre möchte Kern in der Politik bleiben, neun davon seien noch zu absolvieren. Das erklärte Ziel: Bei der nächsten Wahl die absolute Mehrheit gewinnen. Es gelte nun, "in den nächsten fünf Jahren die politische Hegemonie wieder für unsere Inhalte zu gewinnen." Bei allem Zweckoptimismus: Auf Kern wartet jede Menge Arbeit – Parteiarbeit. Denn was von der Wahl übrig bleibt, ist ein geschundener SPÖ-Parteiapparat und ein insgesamt verkorkster Wahlkampf.
Dieser glich einer Sisyphosarbeit, einer fast unlösbaren Aufgabe, wie es kürzlich die deutsche Wochenzeitung "Zeit" treffend formulierte. Jedes Mal, wenn es den Anschein hatte, dass Christian Kern ein paar Meter gutmachen konnte, schien bereits das nächste Missgeschick auf ihn zu warten, das alle Anstrengungen zunichtemachte. Das wohl größte verfolgte ihn bis in die Schlussphase des Wahlkampfes: die Schmutzkübelkampagne des ehemaligen Beraters der Roten, Tal Silberstein. Sie sollte die Kampagne der SPÖ endgültig zum Entgleisen bringen.
Die Causa Silberstein war aber nicht die erste Fehleinschätzung Kerns. Im Jänner 2016 hätte er es selbst in der Hand gehabt, Neuwahlen auszurufen – und die ÖVP auf dem falschen Fuß zu erwischen. In der Koalition ging davor nicht mehr viel, die ÖVP lang in den Umfragen weit hinter der SPÖ. Kern ließ den "Plan A" ausarbeiten und präsentierte diesen in einer aufwendig inszenierten Rede in Wels. Damit eröffnete Kern seinen Wahlkampf. Es hätte der Auftakt für ein vorzeitiges Ende der Koalition und für rasche Neuwahlen sein können. Kern wollte damit den Druck auf die ÖVP erhöhen, worauf diese wenig erschrocken reagierte. Stattdessen gab es wieder einmal einen Neustart der Regierung. Auch die eigene Partei machte Kerns Pläne über eine Neuwahl dem Vernehmen nach zunichte. Damals war das Momentum jedenfalls noch auf der Seite des SPÖ-Chefs, der die Umfragen locker anführte. Und sein späterer Kontrahent Kurz war noch nicht in Stellung gebracht. Oder besser gesagt: Kurz selbst hatte sich noch nicht in Stellung gebracht.
Auch darauf war Kern offensichtlich nicht ausreichend vorbereitet. Wenige Monate nach der Rede in Wels warf nämlich der ehemalige Vizekanzler und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner das Handtuch, der für Kern ein halbwegs verlässlicher Partner war. Die geplante Machtübernahme von Kurz war minutiös vorbereitet und mit einer durchgefeilten Strategie unterfüttert. Kern geriet in die Defensive. Er warnte, dass Kurz’ Aktion "das Ende für eine rot-schwarze Zusammenarbeit für sehr lange Zeit" bedeute. Davon ließ sich Kurz aber nicht beeindrucken und rief selbst Neuwahlen aus.
Aber nicht nur die ÖVP torpedierte Kerns Wahlkampf. Sondern auch die eigene Partei. Und indirekt auch Kern selbst. Ausgerechnet an einem Wochenende im Mai bekräftigte der Wiener Bürgermeister Michael Häupl, er werde drei Monate nach dem Wahltag zurücktreten. Das war keine Neuigkeit, aber heizte wieder den Nachfolgekonflikt des mächtigen Genossen an, der erst wenige Wochen davor mühsam kalmiert werden konnte.
Dauerthema Silberstein
Doch all diese Missgeschicke wurden von den Enthüllungen rund um die Dirty-Campaigning-Facebook-Seiten des Teams des ehemaligen SPÖ-Beraters Tal Silberstein überdeckt, mithilfe derer dieser den Herausforderer Kurz attackieren ließ. Und Silberstein hatte Kern auf Vermittlung von Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer selbst eingestellt. Schon die Verhaftung Silbersteins, hier steht der Geldwäschevorwurf im Raum, und der Rauswurf brachten Unruhe in die Partei. Aber das Datenleck, das die dubiose Arbeitsweise des Beraters offenlegte, stürzte die Kern-Kampagne ins Chaos.
Georg Niedermühlbichler trat als Wahlkampfmanager und Bundesgeschäftsführer der SPÖ zurück. Dessen Nachfolger Christoph Matznetter gelobte Transparenz und löste dieses Versprechen zumindest teilweise ein. Aber in den darauffolgenden Wochen gab es in der Innenpolitik kein anderes Thema mehr außer die schmutzigen Methoden des Beraters Silberstein. Und diese Causa machte die tiefen Gräben zwischen SPÖ und ÖVP noch deutlicher: Die beiden Parteien schleudern sich in diesem Konflikt nicht nur Unterstellungen zu, sie decken sich auch gegenseitig mit Klagen ein. Eine Neuauflage einer Koalition zwischen Schwarz und Rot scheint aus heutiger Sicht abgesagt. Und Wiens Bürgermeister Häupl stellte sich noch am Sonntag vehement gegen Rot-Blau. Mehr Optionen gibt es nicht für die Roten und ihr Gang in die Opposition wird damit immer wahrscheinlicher.