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Sie kommen in immer neuen Wellen zutage: Vorwürfe von Musikerinnen, denen sich Dirigenten körperlich auf nicht gebührende Weise genähert haben. Oder die versucht haben, künstlerische Engagements an sexuelle Gefälligkeiten zu knüpfen. Dass übergriffige Annäherungen kein Kavaliersdelikt sind, darüber herrscht weitgehend Einigkeit. Die Konsequenzen für die Beschuldigten sind jedoch höchst unterschiedlich.
Daniele Gatti wurde beim Concertgebouw-Orchester nach Veröffentlichung der Anschuldigungen mit sofortiger Wirkung als Chefdirigent entlassen. Seine Konzerte übernehmen andere. Für viele die gerechtfertigte Konsequenz. Für andere die problematische Aushebelung des Rechtsstaates und ein Rückschritt ins Mittelalter. Gatti kommt an den Pranger. Was dafür zählt, ist alleine die Anklage.
Gustav Kuhn auf der anderen Seite musste in Erl zwar die Position des künstlerischen Leiters der Tiroler Festspiele ruhend stellen, dirigiert dort aber munter weiter. Es ist davon auszugehen, dass er auch inoffiziell weiter die künstlerischen Fäden zieht. Sein Rückzug verliert damit jede Relevanz. Er wird wohl bis zum Ende seines Vertrages einzig einen schmückenden Titel einbüßen. Sonst nichts.
In einem Fall alles, im anderen so gut wie nichts - das Spektrum der Konsequenzen für sexuelle Übergriffe ist erschreckend breit. Neben der gesellschaftlichen Verantwortung dafür, Frauen vor sexuell konnotiertem Machtmissbrauch zu schützen, stehen wir auch vor der Aufgabe, die Verhältnismäßigkeit der Konsequenzen dafür auszuverhandeln.