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Der Ruf der Wüste

Von Tamara Slavik

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WZ Tamara Arthofer
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Cristiano Ronaldos Karriere wird nicht an seiner letzten Station gemessen werden.


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Es wäre nicht die erste und nicht die letzte Karriere, die in der Wüste buchstäblich versanden würde. Von Cristiano Ronaldo hätte man sich aber anderes erwartet. Immerhin soll er seinen unmittelbar vor der WM verkündeten Abgang von Manchester United mit zahlreichen irritierenden Aktionen und einem Interview, in dem er harte Kritik an der Klubführung geäußert hatte, vorangetrieben haben, weil er noch einmal zu einem großen Verein wechseln wollte, der um den Titel in der Champions League mitspielen kann. Nach seinen Erfolgen in der ersten Manchester-United-Ära und dann mit Real Madrid blieb ihm dies bei seinen beiden bisher letzten Stationen in Turin und Manchester verwehrt. Und nun soll die (wohl) letzte Ausfahrt ausgerechnet Saudi-Arabien heißen?

Die für gewöhnlich gut informierte spanische Sportzeitung "Marca" will das jedenfalls schon wissen. Dem Bericht zufolge hat sich der Superstar der Portugiesen, der mit diesen vorzeitig den Achtelfinaleinzug fixiert hat, bereits mit dem Klub Al-Nassr geeinigt. Er soll einen Vertrag über zweieinhalb Jahre bekommen, das Gesamtvolumen einschließlich Werbeeinnahmen bei etwa 200 Millionen Euro pro Saison liegen. Zuvor hatte bereits der US-Sender CBS Sports über ein Angebot des saudischen Klubs geschrieben, der den Europameister von 2016 ablösefrei verpflichten könnte. Es gibt Denkunwahrscheinlicheres. Ronaldo ist bei all seiner Qualität mit 37 Jahren in einem Alter - und gleichzeitig einer Gehaltsklasse -, in der europäische Spitzenklubs nicht mehr Schlange stehen. Im Internet musste er schon Spott über sich ergehen lassen, weil auch Mittelklassevereine ungefragt ihr Desinteresse bekundet haben. Aus Sicht der Saudis wäre eine Verpflichtung des Superstars indessen nur konsequent. Geld ist vorhanden, Publicity aus dem Ausland in Bezug auf die eigene Liga eher weniger.

Dabei sieht sich das Königreich sportlich auf dem Vormarsch - und das, wie die bisherige WM gezeigt hat, nicht ganz zu Unrecht. Nach der Sensation gegen Argentinien und der Niederlage gegen Polen hatte die Mannschaft am Mittwochabend sogar noch Chancen auf ein Achtelfinalticket. In Sachen Organisation von Sportveranstaltungen haben sich die Saudis schon einen Namen gemacht, unter anderem Formel-1-Rennen und Box-WM-Kämpfe veranstaltet. 2029 soll das Land auch die Asien-Winterspiele ausrichten. Zuletzt bekundete Sportminister Abdulasis bin Turki al-Faisal öffentlich Interesse an der (Co-) Gastgeberrolle für die Fußball-WM 2030. Das Motto: Wenn Katar, der kleine Nachbar, mit dem man im Clinch liegt, eine WM stemmt - warum sollte dies trotz einer Aufstockung des Feldes im viel größeren Saudi-Arabien nicht machbar sein, zumal von einer Gemeinschaftsbewerbung mit Ägypten und Griechenland ausgegangen wird? Dass das Land für Menschenrechtsverletzungen in der Kritik steht, ist für die Fifa eher kein Hindernis - nicht solange im innerem Kreis weniger darüber geredet wird als über die Frage, ob am WM-Schauplatz Alkohol ausgeschenkt werden darf oder nicht. Ronaldos Bier ist das 2030 jedenfalls nicht mehr. Dann wird seine Karriere vorbei sein. Und sie wird in der Geschichte so oder so nicht an seiner letzten Station gemessen werden.