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Der Ruf des roten Königsmörders

Von Jan Michael Marchart

Politik

Der neue SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch gilt als Stratege. Er hat aber auch rote Parteispitzen auf dem Gewissen.


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Am Ende scheint Christian Deutsch auf sein politisches Netzwerk zählen zu können. Dass ausgerechnet der Kampagnenmanager des historischen Tiefpunkts der SPÖ bei einer Nationalratswahl zum roten Bundesgeschäftsführer aufsteigt, wirkt nicht nur nach außen hin bemerkenswert. Auch parteiintern wird seine Bestellung von vielen Genossen als falsches Signal interpretiert, jedenfalls nicht als "zeitgemäße Modernisierung", als die sie Parteichefin Pamela Rendi-Wagner nach seiner Präsentation bezeichnete.

Deutsch symbolisiert eine frühere Ära der Sozialdemokratie, was ihm aber offensichtlich gelegen kommt. Deutsch ist ein Intimus der alten "Liesinger Partie" in der SPÖ, er kennt Ex-Kanzler Werner Faymann und die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures seit vielen Jahren. Bures soll eine wesentliche Rolle bei der Bestellung von Deutsch gespielt haben. Gegen solche Machtnetzwerke ist die im roten Kosmos schlecht verwurzelte Rendi-Wagner ein politisches Leichtgewicht. Das, obwohl in Wien die Wahl nicht nur krachend verloren ging, sondern die SPÖ Liesing obendrein an die ÖVP verlor.

Der neue Parteimanager Deutsch wird als Stratege, Stabilisator und weitgehend loyal beschrieben. Allerdings wird ihm auch nachgesagt, dass er sich auf seinem politischen Weg nicht zu schade gewesen sein soll, sich an Genossen zu rächen oder an deren politischem Ende zu arbeiten.

Eine folgenreiche Entscheidung

Deutsch war von 2008 bis 2014 Wiener Landesparteisekretär. Der damalige Bürgermeister Michael Häupl setzte ihn ab. Das dürfte nicht ganz friktionsfrei abgelaufen sein. Denn Deutsch führte als Reaktion die zweijährige und überraschend öffentlich ausgetragene Revolte gegen Häupl um dessen Nachfolge an. Sein Kandidat Michael Ludwig gewann schließlich den Machtkampf gegen Andreas Schieder.

Nur: Ludwig dürfte sich für die Dienste nicht bedankt haben. Deutsch wird von Wegbegleitern nachgesagt, dass er damals gerne Stadtrat oder Klubobmann der Wiener SPÖ geworden wäre. Doch das passierte nicht. Ganz im Gegenteil kam Deutsch nicht mehr in unmittelbarer Nähe Ludwigs unter. Deutsch war als Mitarbeiter des Wohnservice-Wien eng mit dem früheren Wohnbaustadtrat Ludwig verbunden. Wenige Wochen nach Ludwigs Bürgermeister-Übernahme endete auch Deutschs Job dort.

Vielleicht passierte diese strukturelle Trennung auch, weil Ludwig den Königsmörder Häupls nicht in den eigenen Reihen haben wollte, wie es heißt. Ludwig musste eine durch die Revolte gespaltene Partei wieder einen.

Zählen kann Deutsch offenbar auf sein Liesinger Netzwerk. Bures nahm den gebürtigen Linzer im Oktober 2018 als Referent in ihrem Büro als Zweite Nationalratspräsidentin auf. Kurz davor übergab Ex-Kanzler Christian Kern seinen Parteivorsitz an seine Wunschnachfolgerin Pamela Rendi-Wagner. Dass es so weit kam, hat in gewisser Weise ebenfalls mit Deutsch zu tun.

Deutsch äußerte sich auf Twitter indirekt kritisch über Kern und fachte die Obmanndebatte weiter an. "Heute vor zehn Jahren wurde Werner Faymann in Linz von 98 Prozent der Delegierten zum SPÖ-Bundesparteivorsitzenden gewählt", schrieb Deutsch. "Bei der NR-Wahl 2008 und 2013 konnte er souverän die relative Mehrheit erringen. Es ist Zeit, die SPÖ wieder derart erfolgreich an die Spitze zu führen." Wenige Wochen später gab Kern auf.

Nun steht Deutsch an der Seite von Rendi-Wagner und soll die Partei wieder aufrichten. Deutsch spricht von der "Erneuerung der Partei". Rendi-Wagner kündigte einen "Strukturanpassungsprozess" an. Was genau damit gemeint ist, bleibt unklar.

Eine größere Parteireform der SPÖ wurde von Deutschs Vorgänger Thomas Drozda auf innerparteilichen Druck hin abgeschwächt. Die größte Kritik kam damals von der Wiener SPÖ um Michael Ludwig. Dieser wehrte sich gegen die "Amtszeit-Klausel", wonach SPÖ-Amtsträger nach zehn Jahren zwei Drittel interne Zustimmung brauchen, um weitermachen zu können. Auch eine Stärkung der Mitglieder wurde nachträglich entschärft. Auf welcher Seite Deutsch beim nächsten SPÖ-Reformversuch stehen wird, wird sich zeigen.