Für EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso ist die Türkei reif für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union. Unterdessen forderte der türkische Politiker Murat Mercan in Wien Fairness gegenüber Ankara ein.
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Selbstverständlich gebe es für die Türkei einen Plan B. Zwar sieht Murat Mercan, Vizevorsitzender der türkischen Regierungspartei AKP (Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung), dem EU-Gipfel kommende Woche optimistisch entgegen. Doch sollte nicht die Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit der Türkei fixiert werden, werde das Land seinen Weg der Demokratisierung und wirtschaftlicher Reformen fortsetzen. "Dann erklären wir die Kopenhagener Kriterien zu Ankara-Kriterien", sagt der Stellvertreter von Premier Recep Tayyip Erdogan in der AKP gegenüber der "Wiener Zeitung". Am Freitag war er Gast des Liberalen Instituts Österreich in Wien.
Wie Erdogan betont Mercan, was sich die Türkei vom Gipfel am 17. Dezember erwartet: Vollmitgliedschaft als Verhandlungsziel und die Fixierung eines Datums für die Aufnahme von Beitrittsgesprächen. Diese sollten nicht später als im Dezember 2005 beginnen. Die Festlegung einer Alternative zum Vollbeitritt - etwa eine "privilegierte Partnerschaft" - lehnt Ankara ebenso ab wie mögliche dauerhafte Schutzklauseln beim freien Personenverkehr und eine Verknüpfung der Zypern-Frage mit den Verhandlungen. Zusätzliche Bedingungen, die ausschließlich an die Türkei gestellt werden, seien laut Mercan unfair. "Die EU soll ihre Versprechen erfüllen und Verhandlungen aufnehmen", erklärt er. "Der Ausgang ist sowieso offen."
Während sich Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso am Freitag bei einem Treffen mit Erdogan für einen EU-Beitritt der Türkei aussprach, ging die Suche nach einer Kompromissformel für die Schlusserklärung des EU-Gipfels weiter. Ebenso uneinig wie die Staats- und Regierungschefs sind noch die Abgeordneten des EU-Parlaments, die kommende Woche über einen Türkei-Bericht abstimmen sollen. Auf einen "Brückenschlag" in der Europäischen Volkspartei, der stimmenstärksten Fraktion, hofft ÖVP-Delegationsleiterin Ursula Stenzel. Sie hat einen Änderungsantrag eingebracht, der für den Fall, dass ein Beitritt der Türkei nicht erreichbar ist, "andere Optionen" für das Land vorsieht. Das Zypern-Problem sowie die gesellschaftliche Realität in der Türkei - wie die Lage von Frauen oder Minderheiten - sieht Stenzel als größte Schwierigkeiten für Ankara auf dem Weg in die EU.