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Teheran · Zum sechsten Mal seit der islamischen Revolution von 1979 sind die Iraner heute, Freitag, zur Wahl eines neuen Parlaments aufgerufen. Doch diesmal ist das Votum der 38,7 Millionen | Wahlberechtigten keine Pflichtübung und der Ausgang ist ungewiss.
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Beobachter sehen in der Entscheidung eine Weggabelung zwischen konservativem Beharrungsvermögen und dem immer lauter werdenden Ruf nach Öffnung des Landes. Sollten die Reformer das Parlament
erobern, würden dennoch die Schaltzentralen der Macht weiter in der Hand der Konservativen bleiben. Oberster Führer der Republik ist und bleibt Ayatollah Ali Khamenei, der in allen wichtigen Fragen
das letzte Wort hat.
anders als er treten die Reformer unter der Führung von Staatschef Mohammad Khatami für mehr bürgerliche Freiheiten gerade auch für die diskriminierten Frauen und ein Zurückdrängen des allumfassenden
Einflusses der religiösen Kräfte in der Gesellschaft ein. Als wichtigste Stützen der Reformkräfte gelten neben den Frauen vor allem die Jugendlichen. Fast zwei Drittel von ihnen sind jünger als 30
Jahre. Khatami hatte vor allem sie im Auge, als er am Donnerstag das Volk nochmals eindringlich zur Wahlbeteiligung aufrief. Doch auch in traditionell konservativen Kreisen hat das Nachdenken
begonnen. Die Händler im Basar von Teheran etwa machen aus ihrem Missmut über die kränkelnde Wirtschaft und die dürftigen Auslandsbeziehungen keinen Hehl mehr. Von einer größeren Öffnung versprechen
sich viele mehr Geschäfte mit dem Westen.
Mit der Festnahme des Ex-Innenministers Abdullah Nuri im November wegen "anti-islamischer" Propaganda wurden die Reformer schwer getroffen · plötzlich fehlte der unumstrittene Spitzenkandidat. Viele
hatten Nuri bereits im Amt des Parlamentspräsidenten gesehen. Hoffnungsträger der Reformer sind nun zwei junge Politiker aus der Hauptstadt mit großen Namen: Der 40-jährige Mohammed Reza Khatami,
Bruder des Staatspräsidenten, und Ali Reza Nuri, Bruder des inhaftierten Ex-Innenministers.
Die als gemäßigt-konservativ geltenden "Partisanen des Wiederaufbaus" kürten Ex-Staatspräsident Hashemi Rafsandjani zu ihrem Spitzenkandidaten. Unterstützung bekommt dieser nicht auch von den
Erzkonservativen.