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Der Ruhestand kann warten

Von Daniel Bischof und Petra Tempfer

Politik

Zahlreiche Abgeordnete werden nach der Wahl aus dem Nationalrat ausscheiden. Auch einige prominente Abgänge sind zu verzeichnen. Die "Wiener Zeitung" sprach mit vier Abgeordneten über das Ende ihrer Parlamentskarrieren.


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Wien."In einer Minute wird abgestimmt", sagt eine junge Dame zu Maria Fekter. Die ÖVP-Abgeordnete nickt kurz. Sie sitzt in einem Besprechungszimmer neben dem Plenarsaal des Nationalrates. Es herrscht reger Betrieb. Fekter beredet sich mit Kollegen. Telefonierende Abgeordnete hetzen im Zimmer herum. Drei Tage vor der Wahl kommt der Nationalrat noch für ein letztes Mal zusammen. Über einige Anträge wird heute noch verhandelt werden. Es ist die perfekte Möglichkeit für die Parteien, sich noch einmal in Szene zu setzen. Zeit, zu verhandeln. Zeit, Allianzen zu schmieden.

Zeit für sich selbst wird Maria Fekter künftig mehr haben. So wie mindestens 40 weitere Abgeordnete wird sie dem Nationalrat in der nächsten Legislaturperiode nicht mehr angehören. Ist es ein wehmütiger Abschied für die frühere Innen- und Finanzministerin? "Nach zehn Jahren auf der Regierungsbank und 27 Jahren in der Politik gehe ich dennoch mit großer Genugtuung aus dem politischen Leben ", sagt Fekter mit viel Nachdruck.

Dass sie in der Bundespolitik gestalten konnte, habe sie immer als Glück empfunden. Auf das Gewaltschutzgesetz 1997 sei sie besonders stolz. Mit dem Gesetz wurde es der Polizei ermöglicht, Gewalttäter aus der Wohnung wegzuweisen und mit einem Betretungsverbot zu belegen. "Das war damals für die ÖVP als Eigentumspartei eine schwierige Situation", erklärt die Ex-Ministerin. Jetzt aber freue sie sich auf die neu gewonnene Zeit. Für die Familie, Reisen und aufgeschobene Arbeiten will Fekter sie verwenden. Auch für ihre Fitness wolle sie nun mehr tun, sagt sie schmunzelnd. Als Politikerin habe sie für Dinge wie diese zu wenig Zeit gehabt.

In den Gängen stößt man auf ein weiteres Politik-Urgestein, dessen Abschied bevorsteht. Seit 1998 ist Otto Pendl Abgeordneter zum Nationalrat. Er ist Sicherheitssprecher der SPÖ. "Ich habe das so wollen", sagt er über seinen freiwilligen Abschied. "Man wird älter", fügt der 66-Jährige hinzu. Er werde ja ein politischer Mensch bleiben: "Dazu braucht man kein Mandat." Abgehen werden ihm allerdings die Debatten. Mit seiner Frau könne er nicht so gut über Politik diskutieren.

Mehr Egoismus

Im Gegensatz zu früher habe sich im Nationalrat doch einiges geändert. Früher habe es generell ein besseres Miteinander gegeben. "Eine Demokratie ist halt langatmig und immer ein Kompromiss", sagt Pendl. Durch den äußeren Druck würde der Egoismus unter den Parlamentariern nun deutlich zunehmen. Daher freue er sich schon darauf, sich mehr mit der Familie, seinen Freunden und dem Garten zu beschäftigen. "Meine Frau freut sich noch mehr." Selbst das immer wieder vibrierende Handy bringt Pendl nicht aus der Ruhe. Erst nach mehrmaligem Aufruf verabschiedet er sich zur Abstimmung in den Plenarsaal.

Nach mehr Zeit mit der Familie sehnt sich auch Tanja Windbüchler, die im Februar ihren Rückzug aus dem Nationalrat angekündigt hat. Sie ist die Sprecherin der Grünen für Außen- und Entwicklungspolitik. Nach zehn Jahren im Parlament will sie nun mehr Zeit mit ihren zwei kleinen Töchtern verbringen. Zudem will die Sozialarbeiterin auch ihre Masterarbeit fertigstellen.

Den Beruf als Nationalratsabgeordnete übe man grundsätzlich sieben Tage die Woche 24 Stunden am Tag aus, sagt Windbüchler. Zudem sei er für sie persönlich mit zahlreichen Auslandsaufenthalten verbunden gewesen.

Ständig erreichbar sein zu müssen, das Hetzen, die nächtlichen Sitzungen bis zwei Uhr Früh und die Engstirnigkeit so mancher Politiker werden ihr nicht abgehen. Die Debatten mit den politischen Parteien und die Diskussionen mit der Bevölkerung allerdings schon. Ein dringendes Anliegen sei ihr noch, dass sich ÖVP-Chef und Außenminister Sebastian Kurz in der OSZE dafür intensiver einsetze, den Streit in der Ukraine zu beseitigen, sagt Windbüchler.

Der ebenfalls ausscheidenden ÖVP-Abgeordneten Gertrude Aubauer mangelt es hingegen an einem Gesamtkonzept in der Pflege: "Daran führt kein Weg vorbei." Die frühere "Zeit im Bild"-Moderatorin ist seit 2008 im Nationalrat. "Ich war immer gerne da", sagt sie. "Im Leben jedes Einzelnen sollte es eine politische Phase geben, in der man selbst aktiv wird." Dem Nationalrat wird sie in anderer Form erhalten bleiben: Sie wird als Journalistin aus dem Parlament berichten.

"Abstimmung ist!"

Maria Fekter gerät währenddessen in einen Redeschwall. Die Zeit vergessend, erzählt sie, dass sie es nun auch mehr ausnützen könne, nahe dem Attersee zu wohnen. "Ich bin sehr zufrieden", sagt sie lächelnd. Plötzlich ertönen die Glocken. "Abstimmung ist!", verkündet sie. Fekter springt auf und verschwindet sofort im Plenarsaal. Noch gibt es etwas zu erledigen. Noch ist es nicht vorbei. Der Ruhestand kann warten. Zumindest einen Tag.