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Der russische Patient

Von Karl Leban

Wirtschaft

Mit Russland droht der Raiffeisen Bank International der mit Abstand größte Ertragsbringer | wegzubrechen. Die Aufsicht ist auch wegen der Ukraine nervös und blockiert die Rückzahlung der Staatshilfe.


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Wien. Russland droht infolge der Krimkrise ein Absturz in die Rezession. Investoren ziehen massiv Kapital ab, mit dem Rubel geht es bergab, und die Regierung kommt nicht an frisches Geld. Der börsenotierten Raiffeisen Bank International (RBI) droht nun ihr bisher mit Abstand größter Gewinnbringer wegzubrechen. Noch im Vorjahr kamen mit 469 Millionen Euro stolze 84 Prozent des Gesamtgewinns aus Russland.

Doch jetzt zeichnen sich für die RBI dort turbulente Zeiten ab. Das hat zuletzt die Finanzaufseher in Österreich auf den Plan gerufen. Was die von Raiffeisen fix geplante Rückzahlung des Staatskapitals (1,75 Milliarden Euro) betrifft, haben sie die Ampel vorerst auf Rot gestellt. Dabei spielen Vorsichtsgründe eine Rolle. Die Aufsicht ist der Auffassung, dass die RBI das Staatskapital lieber noch behalten soll - als zusätzlichen Puffer für die aktuellen Risiken in Russland (und der Ukraine).

Bankchef Karl Sevelda, der die RBI auch ohne dieses Geld ausreichend kapitalisiert sieht, ist darüber alles andere als erfreut. Bei der Finanzmarktaufsichtsbehörde mahnt er eine rasche Lösung ein. "Das sind wir unseren Aktionären und den Steuerzahlern schuldig, das Geld liegt bereit", betonte Sevelda am Donnerstag in der Jahrespressekonferenz. Die RBI selbst habe auch wenig Lust, jeden Tag fast 600.000 Euro Sonderdividende zahlen zu müssen.

Raiffeisen macht Druck

Ursprünglich wollte die Bank die während der Finanzkrise abgerufene Staatshilfe noch im März zur Gänze zurückzahlen. Weil ihr das verwehrt wurde, setzt sie nun auf Gespräche mit der Aufsicht. Sollte die Behörde nicht einlenken (der späteste Termin dafür wäre Mitte August, da endet die sechsmonatige Frist für den Bescheid), könnte es sein, dass Raiffeisen dann den Verwaltungsgerichtshof einschaltet. Dieser mögliche Schritt wird als "Ultima Ratio" von den Giebelkreuzern nicht ausgeschlossen.

Doch zurück zu Russland: Dort hat die RBI immerhin eine Bilanzsumme von 15,6 Milliarden Euro, 2,6 Millionen Kunden, 195 Filialen und mehr als 8500 Mitarbeiter. Im Geschäft ist sie vor allem mit großen Firmen und wohlhabender Klientel, wobei das Kreditvolumen bei knapp zehn Milliarden Euro liegt. Trotz der aktuellen Krise ist Sevelda für Russland positiv gestimmt, der RBI-Chef rechnet nicht mit einem "Sanktionenwettlauf". Da gäbe es für alle Seiten nur Verlierer, erklärt er.

Zur Ukraine sagt Sevelda, dass er die dortige Lage nicht schönfärben wolle und es da so wie in Russland selbstverständlich Risiken für die RBI gebe. In dem krisengebeutelten Land hat die Bank eine Bilanzsumme von 4,3 Milliarden Euro, 3,1 Millionen Kunden, 798 Filialen und mehr als 13.000 Beschäftigte. Insgesamt 3,6 Milliarden Euro sind an Krediten vergeben, wovon zuletzt jedoch nahezu ein Drittel - Tendenz steigend - als notleidend eingestuft waren (in Russland nur 4,8 Prozent).

Kein Ukraine-Rückzug?

Laut Sevelda laufen im Großteil der Ukraine die Geschäfte wie gewohnt - nicht aber auf der Krim, auf die rund zwei Prozent des Geschäfts der RBI-Tochter Aval entfallen. Von den 32 Krim-Filialen haben derzeit nur 6 geöffnet. Ob das Geschäft in Zukunft der russischen Tochterbank zugeschlagen werden soll (sobald die Krim offiziell russisches Territorium ist), wird gerade geprüft.

Ursprünglich wollte die Raiffeisen Bank International dem ukrainischen Markt den Rücken kehren, so wie andere Auslandsbanken es schon zuvor getan hatten. Doch dann wurde sie von den politischen Ereignissen in dem Land buchstäblich überrollt und musste die Verkaufsverhandlungen für ihre Tochter auf Eis legen. Sevelda glaubt, dass sich die Lage nach der Präsidentenwahl im Mai beruhigen wird. Mittlerweile kann er sich auch vorstellen, dass die RBI von einem Verkauf der Aval-Bank absieht und in der Ukraine bleibt, was Sevelda freilich von den weiteren Entwicklungen in dem Land abhängig macht.

Zuvor heißt es für die RBI allerdings, sich auf neue Belastungen einzustellen. Rote Zahlen bei der ukrainischen Tochter will Sevelda für das laufende Jahr nicht ausschließen - auch wenn sie bis Ende Februar noch in der Gewinnzone war. Im vergangenen Jahr lieferte die Aval-Bank unterm Strich einen Gewinn von 101 Millionen Euro ab.

Brisantes Detail am Rande: Die signifikante Abwertung des russischen Rubel und der ukrainischen Währung Griwna haben in der Kapitalbilanz der RBI in den ersten Monaten 2014 Spuren hinterlassen. Währungsverluste fraßen vom harten Kapital der Bank von Jänner bis Mitte März rund 280 Millionen Euro weg.

Noch kurz zur Konzernbilanz: Für 2013 weist die RBI einen Nettogewinn von 557 Millionen Euro aus. Das entspricht einem Rückgang um knapp ein Viertel gegenüber dem Jahr davor, in dem die Bank von üppigen Einmaleffekten profitiert hatte. Für die Aktionäre wird es deshalb eine geringere Dividende von 1,02 (nach 1,17) Euro je Aktie geben.

Wieder rote Zahlen in Ungarn

Unter den insgesamt 15 osteuropäischen Ländern, in denen die RBI tätig ist, bescherten drei im vergangenen Jahr Verluste: Bulgarien (minus 15 Millionen Euro), Slowenien (minus 63 Millionen) und nach wie vor Ungarn (minus 116 Millionen).

Die Kernkapitalquote der RBI lag per Ende 2013 unverändert bei 10,7 Prozent. Die Kreditrisikovorsorgen stiegen um 14 Prozent auf 1,2 Milliarden Euro.