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In London macht sich vor Schottlands Unabhängigkeitsreferendum Panik breit: Charmeoffensive Camerons und Milibands in Edinburgh.
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London. Viel größer könnte die Panik nicht sein, die die Politiker in London befallen hat. Neun Tage vor dem Unabhängigkeitsreferendum in Schottland haben Konservative, Liberaldemokraten und Labour Party ein 13-Milliarden-Pfund-Paket (16 Milliarden Euro) für schottische Autonomie geschnürt, mit dem der Zerfall des Vereinigten Königreichs in letzter Minute verhindert werden soll.
Die drei Londoner Parteichefs - Premier David Cameron, Vize-Premier Nick Clegg und Oppositionsführer Ed Miliband - wollen am heutigen Mittwoch der regulären Fragestunde des Premierministers im Unterhaus den Rücken kehren und stattdessen alle drei in Schottland auftreten, um die dortigen Mitbürger zum Verbleib in Großbritannien zu beschwören. So etwas gab es noch nie auf den Britischen Inseln. Schottische Nationalisten kündigten derweil an, dass sie den "drei Amigos" aus dem Süden "einen warmen Empfang" bereiten werden.
Von derlei Spott will man sich aber in England nicht beeindrucken lassen. Das Motto der Stunde ist, ein Höchstmaß an herzlicher Verbundenheit mit Schottland zu demonstrieren. Auf Vorschlag des Labour-Vorsitzenden Miliband haben Stadtverwaltungen in England damit begonnen, den Saltire, die schottische Fahne, zu hissen. Auch über Downing Street No. 10, der Regierungszentrale, ist die blauweiße Flagge aufgezogen worden.
Die Panik im pro-britischen Lager verstärkt hatte am Dienstag die Veröffentlichung der dritten Meinungsumfrage, die Befürworter und Gegner in Schottland Kopf an Kopf sieht. TNS zufolge können die Befürworter schottischer Unabhängigkeit jetzt mit sechs Prozentpunkten mehr als im Vormonat rechnen. Die Gegenseite hat in der gleichen Zeit sechs Prozent eingebüßt - ein Zeichen dafür, wer gegenwärtig Aufwind hat in Schottland. TNS zufolge ist außerdem noch immer fast ein Fünftel der Stimmberechtigten unschlüssig. Die Entscheidung, meinen alle Experten in Edinburgh, stehe "auf Messers Schneide".
Um die Schotten noch von der Abspaltung abzubringen, wollen die drei Westminster-Parteien nun dem schottischen Parlament eilends mehr Rechte einräumen. Unter anderem soll Schottland künftig, so es im Vereinigten Königreich verbleibt, in sehr viel umfassenderem Maße als bisher seine Steuersätze und seine Ausgabenpolitik in Bereichen wie Wohnungsbeihilfe oder Arbeitsbeschaffung selbst bestimmen können. Ein entsprechendes Paket soll bis Januar 2015 vereinbart sein und gleich nach den Unterhauswahlen vom Mai beschlossen werden. Details darüber, wie die neuen Befugnisse aussehen sollen, stehen aber noch aus.