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Der Sammler, der Waldbrand und die Bank

Von Christian Ortner

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Christian Ortner.

Für die Folgen des eigenen Scheiterns zu haften ist aus der Mode gekommen, stattdessen bürdet der Staat dem Steuerzahler alles und jedes auf.


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Ein Mann wirft in den Tiroler Bergen achtlos eine brennende Zigarette weg und verursacht damit einen veritablen Waldbrand mit etwa drei Millionen Euro Schaden. Rechtlich ist die Sache klar, der Täter ist verpflichtet, dem Land Tirol den Schaden zu ersetzen. Doch darauf verzichtet der Landeshauptmann, kaum dass das Feuer gelöscht ist: Man wolle doch keine Existenzen (des jugendlichen Brandverursachers) zerstören - deshalb darf letzten Endes der Steuerzahler den Schaden begleichen.

Der gleichen Logik folgt das Löschen jenes ökonomischen Brandes, den die Hypo Alpe Adria ausgelöst hat: Weil die angeblich so sensiblen Finanzmärkte nicht erschreckt werden dürfen, werden auch hier nicht mittels Insolvenz jene zur Kasse gebeten, die als Eigner und Investoren Mitverantwortung oder zumindest Risiko eingegangen sind, sondern die Steuerzahler.

Sogar am Kunstmarkt überlegt der Staat mittlerweile, Sammlern und Künstlern das Risiko abzunehmen. Denn zwar kann man durchaus argumentieren, dass die Republik die Sammlung Essl erwerben sollte, um deren etwas klammen Eigentümern die Möglichkeit zu geben, ihr Unternehmen vor der Insolvenz zu retten; auch wenn dafür kein Schönheitspreis in der Disziplin "Marktwirtschaft" zu gewinnen sein wird. Eher schräg ist freilich das vor allem im Kunstmilieu in diesem Kontext gerne gebrauchte weinerliche Argument, ein Verkauf der Sammlung durch einen allfälligen Masseverwalter würde die Preise für österreichische Kunst arg in Mitleidenschaft ziehen und wäre daher höchst unerquicklich für Sammler und Kunstproduzenten, weswegen der Staat nun um jeden Preis kaufen müsse.

Nur zur Erinnerung: Der Kunstmarkt heißt so, weil sich die Preise dort nach Angebot und Nachfrage richten, was auch bedeuten kann, dass sie nicht nur steigen, sondern auch sinken. Und auch wenn das mancher in der Kunstszene nicht wahrhaben will: Es ist nicht primäre Aufgabe des Staates, die Preise für die Hervorbringungen heimischer Künstler durch Aufkäufe stets auf dem gleichen hohen Niveau zu halten. Schon gar nicht, wenn dafür die Steuerzahler herhalten müssen.

So wenig der Waldbrand, die Hypo und die Causa Essl inhaltlich miteinander zu schaffen haben, so ähnlich ist die dahinterstehende Logik der Entsorgung der Verantwortung von den Schultern der Privaten, die bewusst Risiken eingegangen sind, auf die Schultern der Steuerzahler, erzwungen von einer politischen Klasse, die niemanden zu fragen braucht. Österreich ist diesbezüglich freilich keine Insel der Unseligen: Wenn in ganz Europa Banken, ja ganze Staaten es mithilfe der Politik schaffen, statt die Kosten verantwortungsbefreiten Handelns selbst zu tragen, diese den Steuerzahlern umzuhängen, offenbart sich dieselbe fatale Mentalität.

Das Prinzip der Haftung ist eine notwendige Bedingung für das Funktionieren von Marktwirtschaft. Es permanent außer Kraft zu setzen, indem der Einzelne im Bedarfsfall seine Haftung an die Allgemeinheit weiterreichen kann, wird früher oder später ziemlich übel ausgehen. Denn irgendwann wird es sich der Steuerzahler nicht mehr gefallen lassen, für schuldhaft herbeigeführte Brände aller Art zur Kasse gebeten zu werden.