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Der Sauberkeitsfimmel

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Tatsächliche Skandale, kurios klingende Gesetzesübertretungen, anonyme Anzeigen. Nachdem in Österreich Korruption jahrzehntelang als Kavaliersdelikt behandelt wurde und Schmiergeldzahlungen im Ausland steuerlich absetzbar waren, überschlägt sich das Land nun im Bemühen um Sauberkeit.

Die politische Transparenz-Debatte wird im Wahlkampf so hysterisch geführt, dass nicht mehr zwischen Eurofighter-Schmiergeld und einem verschlampten Impressum auf Plakaten unterschieden wird. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft wird zugeschüttet mit Anzeigen. Gleichstand durch Polarisierung wird so etwas genannt. Die Ermittler werden dadurch erst recht überfordert und müssen mühsam herausfiltern, was relevant ist und was politisches Kleingeld. In Zweiteres dürfte die Hausdurchsuchung beim Salzburger Bürgermeister fallen.

Die echten Korruptionisten wird das freuen, denn sie steigen gut aus. Erstens kommt die Behörde gar nicht mehr damit nach, alles zu verfolgen. Und zweitens steigt ihr Image: Wenn vermeintlich alle Gauner sind, verschwindet der wirkliche Gauner in der Masse.

Österreich tut sich damit genauso wenig Gutes wie durch die augenzwinkernde Akzeptanz der Freunderlwirtschaft in früheren Regierungen.

Durch die Masse an Korruptionsvorwürfen, die zum Teil bloßes politisches Spiel sind, geraten allerdings schön langsam alle demokratischen Institutionen der Republik in Verruf. Das sollte demokratisch gewählten Parteien nicht egal sein - ist es aber über weite Strecken. Wie sollte der Bürger Vertrauen zu eben diesen Institutionen haben, wenn die dort handelnden Personen ständig mit dem Finger auf andere zeigen? Anständigkeit geht anders.

Wichtiger als dümmliche Vorwürfe wäre, der Justiz das notwendige Know-how in die Hand zu geben, um wirkungsvoll Korruption bekämpfen zu können. Jener Richter, der den Freispruch von Alfons Mensdorff-Pouilly vom Geldwäsche-Vorwurf entschied, sagte eher bedauernd: "Die Sache stinkt, aber sie stinkt nicht genug." Das liegt vielleicht daran, dass die Ermittlungsbehörden auch mit Firlefanz beschäftigt sind.

Österreichs Politik hat vor der Nationalratswahl am 29. September plötzlich einen Sauberkeitsfimmel. Und doch erweckt dieser den Eindruck einer Inszenierung. Hinter den Kulissen, beim "großen Geld", geht es aber weiter wie bisher.