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"Der Schaden im Iran ist bereits enorm"

Von Ronald Schönhuber

Politik

Im Interview spricht der Wirtschaftsforscher Mahdi Ghodsi über die Auswirkungen der US-Sanktionspolitik und die großen Probleme einer vom Klerus und vom Militär gelenkten Wirtschaft.


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"Wiener Zeitung": Mit der Tötung von General Qassem Soleimani durch die USA hat sich der Konflikt mit dem Iran zuletzt gefährlich zugespitzt. Mit seiner Politik des maximalen Drucks versucht US-Präsident Donald Trump aber schon seit längerem, den Iran wirtschaftlich in die Knie zu zwingen. Welche Auswirkung haben die Sanktionen in den vergangenen Monaten gehabt?

Mahdi Ghodsi: Der Schaden ist bereits jetzt enorm. Der Iran hat nicht damit gerechnet, dass er nicht in der Lage sein wird, sein Öl zu verkaufen. Vor eineinhalb Jahren hat er insgesamt noch 2,5 Millionen Barrel pro Tag verkauft - das war wirklich viel und nach dem Atomdeal ein großer Erfolg für den Iran. Jetzt liegen wir bei 300.000 bis 500.000 Barrel pro Tag, und selbst das läuft nicht alles über offizielle Kanäle. Die im iranischen Budget bereits eingeplanten Erlöse sind also nicht so hoch ausgefallen wie erwartet. Auf der Einnahmenseite hat der Iran somit ein massives Problem, und im nächsten Kalenderjahr, das im Iran am 21. März beginnt, sind im Staatsbudget auch keine Einnahmen aus dem Ölgeschäft mehr eingerechnet. Der Effekt ist also sehr schnell eingetreten. Im Mai 2019 sind die letzten US-Ausnahmegenehmigungen für acht Staaten, die noch Öl importieren durften, gefallen, und acht Monate danach gibt es jetzt ein völlig anderes Budget.

Kann der Iran diese Ausfälle in irgendeiner Form kompensieren?

Für das Jahr 2019 wird ein Schrumpfen der Wirtschaft um 9,5 Prozent erwartet, und für diesen Einbruch ist zum größten Teil der Rückgang bei den Ölverkäufen verantwortlich. Gleichzeitig ist die iranische Wirtschaft stark zentralisiert. Es gibt sehr viele halbstaatliche Unternehmen, die mehr oder weniger direkt vom obersten Führer Ayatollah Ali Khamenei gesteuert und kontrolliert werden. Diese Unternehmen haben allerdings Steuerausnahmen, die Regierung bekommt hier also ebenfalls nicht viel Geld. Um gegenzusteuern, sind die Förderung auf Benzin gekürzt und die Steuern dafür erhöht worden. Die Ausfälle im Budget sind also auf die Schultern der Konsumenten im Iran geladen worden.

Was heißt das für den Alltag der Menschen?

Das tägliche Leben ist stark betroffen. Weil der Iran vom internationalen Zahlungsverkehr abgeschnitten ist, können nicht einmal mehr Medikamente importiert werden. Hinzu kommt, dass die Inflation seit der Revolution im Jahr 1979 immer schon sehr hoch war. Es gab nur drei oder vier Jahre, in denen die Teuerung unter zehn Prozent lag, im Regelfall waren es zwischen 20 und 40 Prozent. Die Lohnsteigerungen betrugen allerdings meist nur 20 Prozent. Schon in den vergangenen 40 Jahren hat die über ein geregeltes Einkommen verfügende Mittelklasse also eine Menge verloren. In den vergangenen zwei Jahren hat es auch Streiks von Gewerkschaftsorganisationen gegeben, weil es für zwölf Monate keine Löhne gegeben hat. Wenn man kein Geld hat, um Brot zu kaufen und seine Familie zu erhalten, dann geht man auf die Straße.

Gibt es da für das Regime eine Schmerzgrenze, ab der man doch Konzessionen gegenüber den USA machen wird?

Meiner Meinung nach hat Präsident Hassan Rouhani das vorgehabt, und viele Wähler haben ihm wohl auch deswegen ihre Stimme gegeben. Aber seit Trump im Mai 2018 das Atomabkommen aufgekündigt hat, hat sich alles geändert. Jetzt haben die Hardliner in der Führung Oberwasser. Das ist ähnlich wie in den Jahren 2002 und 2003, als der damalige US-Präsident George W. Bush den Iran der Achse des Bösen zugerechnet hat. Auch damals gewannen die Hardliner an Bedeutung. Und wenn das Regime aktuell zu Zugeständnissen bereit wäre, dann hätte es das wohl schon getan. Stattdessen hat die Führung in Teheran deutlich gemacht, dass sie nicht vor den USA in die Knie gehen will. Aber selbst wenn es einen neuen Deal mit den USA geben sollte, würde für die Regierung noch ein zentrales Problem bestehen bleiben: Die Mehrheit im Iran hat genug vom Regime. Die Menschen, die nach dem Tod Soleimanis auf die Straßen gegangen sind, waren vielleicht fünf bis zehn Millionen. Der Rest im Land unterstützt die Regierung nicht. Sie wollen entweder einen Regimewechsel oder eine umfangreiche Verfassungsänderung.

Ein Kernpunkt des Atomabkommens war ja auch, dass man dem Iran wirtschaftliche Vorteile versprochen hat, wenn dieser sein Nuklearprogramm zurückfährt, etwa durch Investitionen im Land und eine Belebung des Handels. Nach dem einseitigen Ausstieg der USA haben die Europäer angekündigt, dieses Versprechen auch weiterhin erfüllen zu wollen. Doch so wie es derzeit aussieht, ist der Ankündigung kaum etwas gefolgt.

Die Europäer mögen nicht, was Trump gemacht hat, aber sie können auch nicht viel dagegen ausrichten. Wenn es keine Sanktionen gibt, kommen die Unternehmen automatisch. Gibt es Sanktionen und sind die Kosten zu hoch, ziehen sie zurück. Die europäischen Regierungen haben da kaum Einflussmöglichkeiten. Gleichzeitig ist die europäische Politik in vielen Bereichen aber auch auf Linie mit den USA. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat etwa eine Kreditlinie von 15 Milliarden Dollar für den Iran angekündigt, die nie gekommen ist. Und auch die Warentauschbörse Instex ist bis heute nicht einsatzfähig.

Wie viele europäische Firmen sind derzeit noch im Iran vertreten?

Die Gesamtsumme der geplanten ausländischen Direktinvestitionen im Iran lag bei 200 Milliarden Dollar. Alle dahinterstehenden Unternehmen haben sich mittlerweile aus dem Iran zurückgezogen. Und die meisten davon stammen aus Europa.

Wie verhalten sich andere große Spieler wie etwa China oder Indien in dieser Hinsicht gegenüber dem Iran? Für Unternehmen aus diesen Ländern sind die von Trump angedrohten Sekundärsanktionen, wie etwa ein Ausschluss von so gut wie allen Dollar-Geschäften, möglicherweise weniger problematisch.

Auch hier laufen die Geschäfte nicht im selben Ausmaß wie früher. Die Trump-Administration hat in direkten Gesprächen dafür gesorgt, dass diese Länder auf Linie sind. US-Außenminister Mike Pompeo war etwa in Südkorea, Japan, Indien und China, um zu verhindern, dass weiterhin Geschäfte mit dem Iran gemacht werden. Im Gegenzug dafür gab es einige Zugeständnisse von US-Seite.

Im Iran sind die mächtigen Revolutionsgarden, denen auch der getötete General Soleimani angehörte, ja auch ein zentraler Wirtschaftsfaktor. Inwieweit ist das eine Belastung für die Wirtschaft?

Die Revolutionsgarden sind der tiefe Staat. Wenn hochrangige Mitglieder aus dem Militärdienst ausscheiden, beruft sie der oberste Führer an die Spitze einer halbstaatlichen Firma. Diese Unternehmen, die über enorme Vermögenswerte im Iran verfügen, sind nicht transparent, und es gibt Vetternwirtschaft und Korruption. Diese Unternehmen saugen das meiste von dem, was der Iran besitzt, auf. Und natürlich profitieren sie enorm vom Status quo, den sie mit allen Mitteln erhalten wollen.