Zum Hauptinhalt springen

Der Schah von Persien wurde vor 20 Jahren vom Pfauenthron gestürzt

Von Walter Fischer

Politik

Seine Visionen klangen fantastisch: Der Iran wollte mit Hilfe des "Schwarzen Goldes" den Lebensstandard des Westens bis zum Jahr 2000 nicht nur erreichen, sondern sogar überholen. Vor | 20 Jahren zerplatzten alle ehrgeizigen Träume des Schah wie eine Seifenblase. Der Verfasser dieses Beitrages erlebte die dramatischen Ereignisse am Ende der siebziger Jahre in Teheran und berichtet | über Aufstieg und Fall der Pahlavi-Dynastie.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 25 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Teheran, am 16. Jänner 1979: Ein kalter Wind fegt an diesem Tag über die flachen Dächer Teherans. Zwei Boeing 707 stehen startbereit vor dem kaiserlichen Pavillon des Mehrabad Airports. Die

letzten Getreuen des Schah haben sich dort versammelt, um von ihm Abschied zu nehmen. Ein Abschied für immer. Denn an diesem Tag beginnt für den Schah eine lange und bittere Odyssee.

Mit dem Sturz des Schah erfüllt sich eine Prophezeiung, die Astrologen schon bei der Krönung des Kaiserpaares im Jahr 1967 unter das Volk brachten: "Die Zukunft des Schah steht unter einem bösen

Stern". Tatsächlich verunglückte der islamische Geistliche, der die Krönung leiten sollte, plötzlich tödlich. Viele Iraner sahen darin ein schlimmes Vorzeichen. Auch diverse Horoskope versprachen

nichts Gutes: Dem "Kaiser aus 1001 Nacht" wurde Sturz, tragisches Ende, Tod durch ein Attentat, auf jeden Fall Unheil prophezeit.

Für Insider waren die Symptome des Zerfall der Pahlavi-Herrschaft schon längst sichtbar geworden. Ironischerweise begann der Anfang vom Ende 1971, als der Schah am Höhepunkt seiner Macht stand. Im

Oktober dieses Jahres lud er Staatsoberhäupter aus aller Welt zur 2500-Jahr-Feier des persischen Kaiserreiches ein. Neun Könige, drei Prinzen, 13 Präsidenten, 10 Scheichs und zwei Sultane folgten der

Einladung zum "Fest der Feste". Der ungeheure Aufwand, der die Gäste in Persepolis erwartete, verschlug selbst den Reichsten von ihnen den Atem.

Neben Bergen von Kaviar, den der Schah selbst niemals anrührte, wurden teuerste Spezialitäten aus Paris eingeflogen. Die Arrangements wurden vom Innsbrucker Hotelmanager Teifl, der schon früher das

berühmte Ghion-Hotel in Addis Abeba geleitet hatte, getroffen. Zum letztenmal kreuzte sich mein Weg mit Direktor Teifl in Beirut während des Bürgerkrieges 1975/76. In seinem Spitzenhotel brach ein

Brand aus, bei dem er ums Leben kam.

Das Volk blieb ausgeschlossen

Während die ausländischen Medien mit geteilten Kommentaren über die gigantische Prachtentfaltung bei den Persepolis-Feiern, die mehr als 3O0 Millionen Dollar gekostet haben sollen, berichteten,

erlebte das iranische Volk die Monster-Parade in historischen Uniformen nur am Fernsehschirm. Eine Wiederholung des farbenprächtigen Aufmarsches war in Teheran geplant, fand jedoch niemals statt.

Khomeini und die Mullahs nahmen das Persepolis-Fest zum Anlaß ätzender Attacken auf den Schah, die beim Volk, das sich von den Festlichkeiten ausgeschlossen fühlte, auf fruchtbaren Boden fielen.

Viele Pläne des Schah, der sein Land bis zum Jahr 2000 an den Standard der westlichen Wohlstandsländer heranführen wollte, blieben mangels ungenügender Vorbereitung, aber auch wegen des Widerstandes

islamischer Fundamentalisten in den Anfängen stecken. So die Landreform, die den Pächtern und landlosen Bauern zu einer eigenen Scholle verhelfen sollte. Die Großgrundbesitzer, auch viele Mullahs,

torpedierten die Reform oft mit faulen Tricks.

In allen Moscheen wurde der Haß gegen das Pahlavi-Regime gepredigt. Der Schah wurde als Werkzeug der USA und des Zionismus gebrandmarkt, der dem "Großen Satan aus dem Westen" Tür und Tor geöffnet

hatte. Selbst anfangs der Siebzigerjahre, als der Schah infolge des Öl-Booms den Höhepunkt seiner Macht erreicht hatte (der in Europa als "Ölschock" empfunden wurde), schlug Ausländern, die etwa die

heiligen Städte Maschad oder Qom besuchten, der Haß der aufgehetzten Bevölkerung entgegen. "Schert Euch zum Teufel", rief man uns zu als wir ein Erfrischungsgetränk kaufen wollten

Trotz Ölmilliarden ·

das Volk blieb arm

Der Öl-Boom füllte zwar die Kassen der Schah-Familie, erreichte jedoch die Masse des Volkes nur tropfenweise. Während das Zentrum von Teheran, früher ein gesichtslose Absammlung von Häusern, durch

Parks und neue Straßenzüge umgestaltet wurde und im Norden der Hauptstadt prachtvolle Villen der Neureichen aus dem Boden schossen, änderte sich das Leben in der "Down-Town", wo die Armen wohnten,

nur wenig. Inzwischen weiß man allerdings auch dort, daß es der Masse der Bevölkerung während der Herrschaft des Schah besser ging als heute.

Die Mullahs aber hetzten intensiv gegen den "teuflischen Einfluß des Westens", gegen Alkoholgenuß (viele Perser liebten Wodka), gegen Prostitution (in Teheran gab es ein eigenes Bordellviertel, doch

auch in Nachtclubs zeigten sich immer häufiger leicht bekleidete Damen), vor allem aber gegen die Emanzipation der Frauen, die von der "Schahbanu", Kaiserin Farah, so vehement gefördert wurde. Auch

die "dekadente Kunst", wie sie bei den Festivals in Schiras präsentiert wurde und die Aktivitäten des "Literacy Corps", das eine Alphabetisierungs-Kampagne bis ins letzte Dorf trug und den Einfluß

der Mullahs im Erziehungswesen zurückdrängte, war ihnen ein Dorn im Auge.

Als Khomeini damals den Schah persönlich beschimpfte, wanderte er 1963 für einige Zeit hinter Gitter. Enge Berater des Schah forderten seine Exekution. Der Schah entschied sich jedoch für die

Verbannung des Religionsführers. Exiljahre in der Türkei und im benachbarten Irak folgten. Im Oktober 1978 reiste Khomeini nach Frankreich, wo ihn der Schah "weit vom Schuß" wähnte. Doch das

Gegenteil trat ein. Der Ayatollah trat mit westlichen Medien in Verbindung; insbesonders die BBC machte sich zum Sprachrohr Khomeinis. Seine Reden wurden in den Iran geschmuggelt.

Der Schah geht ins Exil

Mohammed Reza stand bis zum Tode seines Vaters (er starb am 26. Juli 1944 in Südafrika, wohin ihn die Briten verbannt hatten) immer im Schatten seines starken, energischen, oft brutalen und

despotischen Vaters. Aschraf, die Zwillingsschwester hatte diese Eigenschaften geerbt. Viele glauben, daß sie in den entscheidenden Monaten des Jahres 1978 entschlossener gehandelt hätte als ihr

Bruder, dem der sichere Instinkt und die nötige Kraft fehlte. Angeschlagen durch seine Krebserkrankung, tief enttäuscht über das Debakel seiner wohlgemeinten Reformen und die Verbündeten in den USA,

die ihn skrupellos fallen ließen, ging der Schah ins Exil.

Khomeini kehrt zurück

Am 1. Februar 1979, der im heutigen Iran als historischer Tag gefeiert wird, kehrte Ayatollah Khomeini nach Teheran zurück. Einige schahtreue Offiziere hatten die Entführung der Air France

Maschine geplant, andere wollten sie abschießen oder in die Luft sprengen, doch der Schah stimmte keinem dieser Pläne zu. Waren noch im Jänner 1979 die Ölfelder und Häfen in den Händen der

kaisertreuen Kriegsmarine, so änderte sich nun die Situation schlagartig. Selbst die Luftwaffe griff nun die Kaisergarde an. Binnen weniger Tage waren alle Schlüsselpositionen in den Händen der

Khomeini-Anhänger.

Kreisky sagte nicht nein

Das Blutgericht, das nun begann, ist noch heute der Weltöffentlichkeit in grausamer Erinnerung. Tausende Schahanhänger wurden nach brutalen Folterungen wie Schlachtvieh hingerichtet. Alle diese

Hiobsbotschaften erreichten den Schah in Marrakesch, wohin er nach einem mehrtägigen Aufenthalt in Assuan geflogen war. Marokkos König Hassan II., der als weltliches und geistliches Oberhaupt nicht

mit den gleichen Problemen konfrontiert war, wie der Schah, drängte seine Gäste diskret zur Abreise. Auch die USA zeigten ihm die kalte Schulter und empfahlen Paraguay oder Südafrika als Exilländer.

Auch Österreich wurde als Exil in Erwägung gezogen. Die Krupp-Familie bot ein Schloß in der Nähe von Salzburg an. Bundeskanzler Kreisky sagte zwar nicht nein, befürchtete jedoch diplomatische

Schwierigkeiten. Denn Teheran forderte die Auslieferung des "Mörders". . .

Letztes Asyl und Tod in Kairo

Schließlich war es Anwar al Sadat, der dem Schah das letzte Asyl anbot. In Kairo wurde er mehrmals operiert, doch am 27. Juli 1981 kam das Ende. Radio Teheran triumphierte: "Der größte Blutsauger

des Jahrhunderts ist tot!" In der Rifai-Moschee von Kairo fand der Schah seine letzte Ruhestätte. Nur selten steht ein Tourist vor dem Grabmal aus grünem Marmor, aber auch Farah und andere

Familienmitglieder sieht man nur am Todestag in der Moschee. Nur vier Monate nach dem Tod des Schah starb Anwar al Sadat im Kugelhagel islamischer Fundamentalisten.