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Die Wirklichkeit ist schwer zu fassen. Wer wissen will, was an einem bestimmten Ort vorgeht, kann wie im Wetterfernsehen eine Kamera aufstellen und das, was später auf dem Film zu sehen ist, für die Wirklichkeit halten. Doch das Ergebnis wird nicht wirklich klüger machen. Denn es braucht jemanden, der die Kamera führt, der ihr zeigt, was wichtige oder rührende Aspekte der Wirklichkeit sind, die zusammengenommen ein verdichtetes Bild ergeben. Und dann braucht es noch jemanden, der zum Film spricht, die Bilder verdeutlicht und in Zusammenhang setzt.
Vier oder fünf deutsche Korrespondenten in Russland haben sich zusammengetan, um für 3sat die schaurig-schöne Reportage "Eiszeit: Überleben im russischen Winter" zu erstellen. In der Manier von Jim Jarmuschs Kinofilm "Night on Earth" hat sich ein jeder aus der Herrengruppe mit einer Dame eine Region ausgesucht und von dort einen Minidokumentarfilm geliefert. Vorbildlich begann ein jeder Teil der Reportage mit einer Landkarte, so dass man erst wusste, wohin die Reise ging. Mein Gott: 40 Grad minus und das zentrale Heizwerk fällt aus. 40 Grad minus und die Ärztin kann nur 15 Minuten bei den Kranken bleiben, weil sonst die Technik des Helikopters einfriert.
Gott sei Dank ist nicht ganz Russland so unmenschlich: Neureiche jagen um viel Geld Elche, die sie nicht zu Gesicht kriegen. Die Sojoten trinken ein wärmendes Schnäpschen auf Buddhas Wohl. Und zum versöhnlichen Abschluss prophezeite ein Schamane, dass der Film gelingen wird. Er hat Recht behalten.