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Der Schleier verdeckt und enthüllt

Von Stefan Beig

Politik
Die Fotoserie "Like Everyday (Domestic Life)" der Iranerin Shadi Ghadirian thematisiert die Sicht auf die Frau. Foto: Aeroplastics Contemporary

Künstlerische Sicht auf ein religiöses Symbol. | Die Kuratorin Martha Kirszenbaum über das Kopftuch als Metapher. | Wien/New York. Das Kopftuch - kaum ein Objekt wurde zum Symbol für so vieles: Unterdrückung der Frau, Widerstand gegen den Kolonialismus in islamischen Ländern, anti-westlichen Islamismus und muslimische Frauen, die ihre Identität selbstbewusst zeigen. In der Ausstellung "The Seen and the Hidden: (Dis-)Covering the Veil" im österreichischen Kulturforum New York ist der Schleier ein Symbol, das eine junge Künstlergeneration ausdeutet.


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"Das ist keine Ausstellung über islamische Kunst, sondern über das Kopftuch als Metapher für das, was gezeigt wird, und für das, was nicht gezeigt wird", so Martha Kirszenbaum, die Kuratorin der Schau. Kirszenbaum hielt Mittwochabend bei den Gesprächen des Alpbach Forums in Wien einen Vortrag zum Thema. Am Rande der Veranstaltung sprach sie mit der "Wiener Zeitung". Bei der Schau gehe es um die Bedeutung des Kopftuchs für die Frau und um die Integration muslimischer Zuwanderer. Doch im Zentrum stehe immer die zeitgenössische Kunst. Das Paradoxon, dass das Kopftuch enthüllt, indem es verschleiert, könne die moderne Kunst markant aufzeigen.

Auf einem Video "Undressing/Soyunma" zieht etwa die in Wien lebende kurdische Künstlerin Nilbar Güres Stück für Stück die Kopftücher ihrer Familienmitglieder der Reihe nach aus, bis schließlich ihr erleichtertes Gesicht zum Vorschein kommt: ein Ausdruck für das Sich-Loslösen von einer familiären Tradition, ohne die eigene Herkunft dabei zu verleugnen. Die in New York lebende Pakistanerin Asna Ahmed Shikou trägt als einzige der an der Ausstellung beteiligten Künstler selber ein Kopftuch - eine Entscheidung, die sie selber im Ausland fällte. Auf ihrem Foto sind Kopftücher der unterschiedlichsten Frauen aus den USA zu sehen, um Identität und auch die jeweils unterschiedliche Individualität der Trägerinnen aufzuzeigen.

Wirbel um provokantes Foto

Wie sensibel der Umgang mit dem Islam gerade in den USA ist, demonstrierte der Konflikt um ein Objekt, das die Kuratoren dann doch nicht bei der Schau zeigen wollten: Auf dem Foto "Mitgift" zeigt die türkisch-stämmige Künstlerin Esin Turan sich selbst mit einem Nigab, an dem goldene Handgranaten hängen. Wegen der provokanten Konnotation von Islam und Terrorismus war das Objekt den Organisatoren zuletzt dann doch zu riskant.

"Es ging um zeitgenössische Kunst und junge Künstler", betont Kirszenbaum. Ältere islamische Künstler seien generell sehr kritisch gegen das Kopftuch eingestellt, weil sie die in ihren Herkunftsländern stattfindende religiöse Radikalisierung miterlebt hätten. Bei den Jüngeren war die Herangehensweise hingegen im Allgemeinen weder nur positiv noch kritisch. Die meisten Künstler sind nicht älter als 35. Der Fokus lag klar auf der Generation nach dem 11. September, aus deren Perspektive alle Facetten des Themas ausgeleuchtet werden sollten. Ansonsten war die Palette breit: Muslime wie Nicht-Muslime, gebürtige Amerikaner, Europäer oder Türken gehörten zu den Kunstschaffenden.

Laut Kirszenbaum ist die junge Generation die "am meisten multikulturelle Generation". Dazu trage die Vernetzung durch neue Medien wie das Internet bei, aber auch der Umstand, dass mittlerweile die Nachkommen von Zuwanderern in europäischen Staaten heranwachsen. "Migration und Identität sind für die junge Generation wichtige Themen." Zentrale Herausforderung sei heute, die Zugehörigkeit zu zwei Kulturen als Potential für die Zukunft zu nützen, so die Kuratorin. "Das ist die Verantwortung der heutigen Gesellschaft."