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Der Schlüssel zum gesunden Selbstbewusstsein

Von Manuela Hahofer

Reflexionen
Eltern, die zu ihren Kindern stehen, geben ihnen das nötige Selbstvertrauen.
© Bilderbox

Die meisten Kinder sind selbstbewusst und versuchen neugierig, das Leben zu erforschen. Doch nur allzu oft werden aus zunächst selbstsicheren Kids verschüchterte Teenager und später unsichere Erwachsene. Was ist da in der Entwicklung und Erziehung schief gegangen? Und kann man das wieder reparieren?


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Bereits auf den ersten Blick kann man feststellen, ob der Mensch, der einem gegenüber steht, ängstlich, selbstbewusst, dominant oder schüchtern ist.

Körperhaltung, Klang der Stimme und Mimik können Bände sprechen. Viele Menschen kämpfen mit ihrem Selbstbewusstsein, fühlen sich in Gegenwart anderer klein und unbedeutend. Aber woher kommt das?

Da es wohl kein "Selbstbewusstsein-Gen" gibt, kann man sagen, dass rund 90 Prozent an Erziehung und äußeren Einflüssen liegen. Vor allem die Vorbildwirkung der Bezugspersonen ist für Kinder wichtig. Allerdings muss man einräumen, dass es uns in der heutigen Gesellschaft sehr schwer gemacht wird, selbstsicher und stark durchs Leben zu gehen und sich so anzunehmen, wie man ist.

Hohe Ideale. Die Medienwelt gaukelt uns unerreichbare Ideale vor wie etwa die Mutter, die zugleich Karrierefrau ist, die Powerfrau, die trotz Stress immer wie "frisch aus dem Ei gepellt" aussieht, der Manager, der alles im Griff hat, der smarte Sunnyboy, der alle Frauen mit seinem Charme bezirzt. Und dann betrachten wir uns kritisch im Spiegel und sehen so gar keine Spur von der Powerfrau oder vom Sunnyboy. Da gibt es dann natürlich Kratzer auf jedem noch so gut polierten Selbstbewusstsein. Aber das ist der Trend der Zeit, mit dem wir alle zu kämpfen haben, und mehr oder weniger gut damit umgehen können.

Jedoch gibt es viele Menschen, die wirklich unter ihrem geringen Selbstwertgefühl leiden, und da müssen sie gar nicht von den Super-Menschen der Hochglanzmagazine angelacht werden. Sie fühlen sich schon verunsichert, wenn sie sich mit ihren Arbeitskollegen oder Freunden vergleichen. Jeder scheint besser, schöner, klüger als sie selbst zu sein. Um dieses Manko zu kompensieren, verhalten sie sich dann so, wie sie denken, dass es die anderen von ihnen erwarten. Sie schaffen es einfach nicht, "Nein" zu sagen, sie fürchten gleich, nicht gemocht, nicht respektiert oder nicht wertgeschätzt zu werden, wenn sie nicht das tun, was von ihnen verlangt wird. Sie mucksen nicht auf, wenn sich in der Warteschlange jemand vordrängelt, sie sind auch dann noch höflich, wenn sie ungerecht behandelt werden. Bewundernd sehen sie zu jenen Menschen auf, die selbstsicher und dominant auftreten, die ihre Meinung kund tun, ohne darauf zu achten, ob die-

se "angepasst" oder "in" ist. Sie beneiden diese Menschen, doch sie schaffen es einfach nicht, auch so aufzutreten.

Ein schwieriger Weg. Kein Wunder, denn mehr Selbstbewusstsein zu bekommen ist kein einfaches Unterfangen. Es ist ein schwieriger Weg, bei dem man sich selbst, seine Fehler, Schwächen, aber auch seine Stärken genau kennen lernen und sie auch akzeptieren muss. Feedback von echten Freunden ist dabei sehr wichtig. Es nützt wenig, an seiner Körperhaltung oder Sprache zu arbeiten, wenn man tief im Herzen unsicher ist. Denn dann wird man die anderen nicht davon überzeugen können, dass man selbstsicher ist. Es bringt nichts, nur an der Oberfläche "zu kratzen" - man muss schon ein wenig Zeit und Energie investieren, um als starker Mensch durchs Leben zu gehen.

Auch die Unsicherheit entstand ja nicht von heute auf morgen. Sie ist ein Produkt jahrelanger falscher Erziehung, falscher Vorbildwirkung und falscher Selbstwahrnehmung. Unsichere Menschen haben häufig Angst vor Misserfolgen und stellen sich daher neuen Herausforderungen erst gar nicht. Sie scheuen sich vor Verantwortung. Sie machen sich bei Fehlern gleich schwere Selbstvorwürfe. Dieses Verhalten gibt ihnen zwar nur geringe Möglichkeiten zu scheitern, aber es lässt leider auch keine Erfolgserlebnisse zu. Doch es sind gerade Erfolgserlebnisse, mit denen wir Menschen unser Selbstwertgefühl aufbauen können.

Der unsichere Mensch muss auch lernen, Komplimente anzunehmen. Gar nicht so leicht. Viele schwächen dann ab, weichen aus. Unsichere Menschen vergleichen sich oft mit anderen und sehen dann nur, dass die anderen besser, schöner oder intelligenter sind. Sie machen sich sehr viel Gedanken über ihr Aussehen.

Die Macht des Unterbewusstseins. Doch wenn der Leidensdruck zu stark wird, dann sollte man etwas unternehmen. Zunächst wäre es wichtig zu erforschen, woher das schwache Selbstbewusstsein kommt. Oft sind es Sprüche aus der Kindheit, die einem noch in den Ohren klingen: "Dafür bist du nicht klug genug." "Lass das sein, das schaffst du sowieso nicht." "Du bist schwer von Begriff." "Du wirst es im Leben zu nichts bringen." Diese Sätze legen sich wie Blei auf die Seele. Auch wenn wir uns an diese Sprüche gar nicht mehr bewusst erinnern können, in unserem Unterbewusstsein sind sie gespeichert und beeinflussen unser tägliches Handeln.

Wenn wir aber erkennen, dass es diese dummen Sprüche sind, die unserem Selbstbewusstsein zusetzen, dann ist das ein erster Schritt auf dem Weg zu einem gesunden Selbstwertgefühl.

"Mir hat niemand solche Dinge gesagt und trotzdem leide ich unter meinem geringen Selbstwertgefühl", werden vielleicht einige Menschen jetzt sagen. Es können auch Situationen sein, die uns negativ beeinflussen. Erlebnisse in der Kindheit, wie Angst vor dem Verlassenwerden, sich von den Bezugspersonen nicht hundertprozentig angenommen fühlen, kindliche Ohnmacht gegenüber der zu dominanten Erwachsenenwelt spüren, all das kann später an unserem Selbstwertgefühl nagen. Es ist in jedem Fall immer eine Unsicherheit über den Wert der eigenen Person und ein "Sich - nicht - annehmen - können", das ein mangelndes Selbstwertgefühl hervorruft.

Selbstreflexion. Wichtig am Weg zu einem besseren Selbstwertgefühl ist, dass man sich mit sich selbst konfrontiert. Versuchen, sich durch die Augen der anderen zu sehen, ist dabei eine wichtige Übung. Natürlich wird man auch einige "Fehler" an sich finden und es wird schwer sein, ohne wenn und aber dazu zu stehen. Wenn man das schafft, wird man ein gesundes Selbstbewusstsein entwickeln können. Vielleicht kann man den einen oder anderen Fehler auch ausmerzen, aber grundsätzlich sollte gelten: "Ich nehme mich so an, wie ich bin und ich mag mich mit all meinen Schwächen."

Leichter gesagt als getan? Nicht unbedingt, wenn man sich vor Augen hält, dass es die Stärken und Schwächen sind, die unsere Gesamt-Persönlichkeit formen. Wir wären nicht wir selbst, wenn wir nur aus unseren positiven Eigenschaften bestehen würden. Eine sehr effektive Übung: Setzen Sie sich vor einen Spiegel, schauen Sie sich an (mit einem Lächeln geht es leichter) und sagen Sie sich: "Ich mag dich - du bist ok. Ich akzeptiere dich so wie du bist."

Für viele Menschen ist das extrem schwer, weil sie nie gelernt haben, sich selbst zu loben. "Eigenlob stinkt" wurde uns schon als Kind eingebläut. Und dabei brauchen wir solche Streicheleinheiten doch so sehr für ein gesundes Selbstwertgefühl. Meist stehen wir vor dem Spiegel und nörgeln an uns herum. Wie kann man dann mit stolz geschwellter Brust durch den Alltag gehen? Natürlich ist es schön und kann auch hilfreich sein, wenn man die Meinung anderer Menschen einholt. Doch am Weg zum selbstbewussten Menschen sollte man sich mehr und mehr auch auf seine eigene Meinung, seine eigene Intuition und letztendlich auf sein eigenes Wissen und seine eigene Erfahrung verlassen. Bei wichtigen Entscheidungen kann man natürlich gute Freunde um Rat fragen und neu gewonnene Erkenntnisse bei seiner Entscheidungsfindung berücksichtigen. Sie sollten jedoch nur dazu dienen, eine andere Sichtweise auf das Problem zu bekommen und dadurch einen neuen Entscheidungsweg zu öffnen. Seine tatsächlichen Entscheidungen sollte man jedoch nie von anderen abhängig machen. Schließlich ist man selbst ja auch für die Konsequenzen verantwortlich - also gilt: mutig sein, selbst Entscheidungen treffen und wissen, dass man dann im Positiven wie im Negativen mit seiner Wahl leben muss. Viele selbstbewusste Menschen wissen, dass die innere Stimme sowieso die wichtigste ist und man auf sie immer hören sollte.

Nicht verunsichern lassen. Wichtig am Weg zu einem glücklichen, selbstsicheren Leben ist auch, sich selbst ernst zu nehmen, aber zu erkennen, dass sich nicht alles auf einen selbst bezieht. Man geht auf der Straße, hinter einem lachen zwei Menschen - sofort schießt einem der Gedanke durch den Kopf: "Lachen die über mich? Habe ich einen Toilettefehler? Ist mein Gang komisch? Sitz meine Frisur nicht richtig?"

Jemand antwortet nicht auf ihr Email. Sofort setzt sich der Gedanke fest: "Ich habe ihn verärgert. Irgend etwas in dem Email passt der Person nicht." Sie kommen gar nicht auf den Gedanken, dass er vielleicht gerade keine Zeit zum Antworten hat, auf Urlaub ist oder das Mail nicht bei ihm angekommen ist (der Technik kann man ja auch nicht immer und blind vertrauen!). Loslassen lernen, lernen, dass nicht alles mit einem selbst zu tun hat!

Auf keinen Fall sollte man sich durch mögliche Rückschläge verunsichern lassen. Sie sollten immer bedenken, dass es ein langer Prozess ist, der einen unsicheren Menschen in einen charmanten, selbstbewussten Menschen verwandelt. Auf dem Weg dahin wird es immer wieder Situationen geben, in denen man sich wie eine kleine, unscheinbare Maus fühlt. Aber wenn man durchhält, dann wird sich die eines Tages in einen stolzen Tiger verwandeln.