Grüner Wasserstoff ist ein Hoffnungsträger von Energiewende und Energieunabhängigkeit. Auch Österreich rüstet um.
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Ob als Kraftstoff für Busse oder den Schwerverkehr, ob in Industriebetrieben oder im Tourismus: Grüner Wasserstoff gilt als ein Schlüssel zur Erholung des Klimas. "Wasserstoff wird vielfach als Champagner der Energiewende bezeichnet. Österreich verwendet aktuell 150.000 Tonnen Wasserstoff und jetzt geht es darum, Grauen Wasserstoff durch Grünen zu ersetzen", sagte Theresia Vogel, Geschäftsführerin des Klima- und Energiefonds, bei einer Diskussion der Universität Wien und der "Wiener Zeitung" am Donnerstagabend in Wien. Die neue Reihe "Wissen schafft Diskurs" wurde im Rahmen der "Kaiserschild Lectures" gestartet.
Wasserstoff ist das häufigste Element und das kleinste Atom. Er ist flüchtig, leicht und reaktionsfreudig. Elektrolyse bedeutet, dass man mit Hilfe von Strom Wasser in seine zwei Bestandteile, Wasserstoff und Sauerstoff, spaltet. Beide können auf ihre Weise industriell genutzt werden.
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Wasserstoff lässt sich speichern und transportieren und hat eine hohe Energiedichte. Er ist so klimafreundlich wie der Strom, mit dem er produziert wird. Derzeit werden weltweit 20 Millionen Tonnen Wasserstoff jährlich erzeugt, allerdings zum größten Teil mit Hilfe fossiler Energieträger. Man spricht vom Grauen Wasserstoff, dessen Emissionen das Klima schädigen.
Bei der Umrüstung "wird es zunächst um Priorisierung gehen. In Österreich sollte Wasserstoff zuerst in Industriekomplexen und Fahrzeugen, wo die Reichweite der E-Mobilität zu gering ist, zum Einsatz kommen", erläuterte Vogel. "Wenn wir in der Schwerindustrie, wo wir mit fossilen Energieträgern ein Drittel unserer Treibhausgasemissionen verursachen, Umweltfreundlichkeit bewirken, können wir uns wirklich in Richtung Klimaneutralität verändern und da spielt der Grüne Wasserstoff eine Rolle."
Grüner Wasserstoff verursacht keine Schadstoffe, weil er mit erneuerbaren Energien erzeugt wird. Die Ressourcen sind Sonne und Wind und das Abfallprodukt nichts als Wasser. Grüner Wasserstoff hat damit das Potenzial, der Kraftstoff der Zukunft zu werden. Europa benötigt ihn, um die Klimakrise zu bewältigen und sich vom Gaslieferanten Russland zu lösen.
Vor Russlands Krieg gegen die Ukraine wollte die EU bis 2030 insgesamt 5,6 Millionen Tonnen Grünen Wasserstoff produzieren. Anfang April hat die EU-Kommission dieses Ziel aber auf 20 Millionen Tonnen vervierfacht, wobei man sich zur Hälfte mit importiertem Wasserstoff behelfen will. Wenn das gelingt, könnte die EU mit Wasserstoff bis zu einem Drittel ihrer russischen Gasmengen ersetzen.
Heizen mit Mikroben
Grüner Wasserstoff macht jedoch derzeit nur ein Prozent des weltweiten Wasserstoffangebots aus. Für eine massentaugliche Anwendung sind technische Herausforderungen zu lösen. Damit man Wasserstoff speichern und transportieren kann, muss das Gas entweder verflüssigt oder komprimiert werden. Für den flüssigen Zustand werden extrem niedrige Temperaturen von minus 253 Grad Celsius benötigt. Das ist nicht weit weg vom absoluten Nullpunkt von minus 273,15 Grad und erfordert enorme Mengen an Energie. Alternativ können Gas-Atome durch enormen Druck aneinandergepresst werden, damit sich ausreichende Energiemengen auf kleinem Raum unterbringen lassen, und auch das benötigt viel Energie. In einer Champagnerflasche herrscht der doppelte Druck, in einer Wasserstoff-Tankstelle aber der bis zu 300-fache Druck eines Autoreifens. Wasserstoff-Behälter müssen dickwandig und absolut dicht sein, damit nichts entweicht oder gar explodiert.
Zum Spezifikum Grüner Wasserstoff: Es scheint nicht immer die Sonne und es weht nicht immer der Wind. Während diese Form der Energie vielleicht nicht dann erzeugt wird, wenn wir sie benötigen und nicht gut speicherbar ist, bewirkt die Umwandlung in Wasserstoff, dass Solar- und Windstrom transportabel und speicherbar werden. Das ist der Vorteil von Grünem Wasserstoff: In seiner Form stehen erneuerbare Energien immer zur Verfügung. Jedoch ist seine Elektrolyse bis zu sieben Mal teurer wie die der Grauem Sorte. Allerdings steigt der Gaspreis, während die Kosten für erneuerbare Energien sinken. Grüner Wasserstoff wird wettbewerbsfähiger.
Welche Anwendungen werden Energieunternehmen als erstes anbieten? "Wir wollen mit einem Elektrolyseur spätestens Anfang 2024 die Produktion von Wasserstoff aufnehmen", sagte Brigitte Bach, Vorständin des Energieversorgers Salzburg AG. "Zuerst wollen wir die größten Emittenten vom Grauen zum Grünen Wasserstoff bringen, also Industrie und Verkehr."
Wer aber glaubt, bald einen eigenen emissionsfreien Wagen lenken zu können, irrt. Für den individuellen Gebrauch sieht Bach eher Kleinfahrzeuge mit E-Mobilität. Wasserstoff lohne sich für Logistiker, die weiter fahren und schnell auftanken müssen. Das Beispiel dazu setzte diese Woche der US-Einzelhändler Wal-Mart, der seine Logistik auf grün umstellt. "Auch den Busverkehr wollen wir mit Wasserstoffantrieb ausstatten", stellte Bach für Salzburg in Aussicht. Für den Einzelhaushalt sieht sie hingegen noch keine Anwendung: "Ein Elektrolyseur zum Heizen daheim wäre eine Riesen-Investition. Wenn man mit Wasserstoff als Speicher nachhaltiger Energien über den Winter kommen will, sollte man in staatlich-industriellen Dimensionen denken", sagte sie.
Eine innovative Methode stellte der Biotechnologe Simon Rittmann von der Uni Wien vor. So produzieren Mikroorganismen Grünen Wasserstoff mit großer Effizienz. "Wir haben Mikroben zu einem Ökosystem zusammengestellt, das Stoffwechselprodukte zur Wasserstofferzeugung in Mengen nutzt", erklärte der Gründer eines Start-ups zur Entwicklung dieser Technologie, die durchaus im großem Maßstab angelegt werden könne, auch für Hause. "Um den Energiebedarf einer 100-Quadratmeter-Wohnung zu decken, brauche ich einen Bioreaktor voller Mikroorganismen von der Größe einer Badewanne", sagte Rittmann. Wer also die Kosten der bis 2040 vorgeschriebenen Umrüstung seiner Gasheizung scheut, konnte es möglicherweise damit versuchen.
Alle Diskussionsveranstaltungen der "Wiener Zeitung" auf einen Blick.