Staatslenker halten uns Bürger methodisch in Unwissenheit, vor allem, wenn wichtige Wahlgänge bevorstehen. | Sogar die regierungskritischen Medien entfalten eine merkwürdige Toleranz, wenn sie die Zwangslage behandeln, in der Politiker vor Wahlen stecken. Die Zeitungen merken deren üble Tricks bloß an und gehen darüber weg.
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Landauf, landab ist zu lesen und im Radio und Fernsehen zu hören und zu sehen, was bis zur Wiener Landtagswahl im Oktober alles nicht möglich sein wird: die überfällige Pensionsreform, der Budgetvoranschlag für 2011, eine Entscheidung über den Ersatz für das geplatzte Projekt eines neuen Asylzentrums. Und vor allem Klarheit über die finanziellen Belastungen sowohl der Wirtschaft als auch der Bürger entlang der mehrjährigen Holperstrecke, der Budgetsanierung nach den Folgen der weltweiten Finanzkrise.
Manchmal gibt es Kritik an dieser Taktik, im Grunde genommen finden sich aber alle damit ab. Mit anderen Worten: Vor den Wahlen in Wien und in der Steiermark, wo jeweils entweder die Absolute wackelt oder die Mehrheitspartei um ihren Vorrang zittert, stellen die Politiker das Regieren ein, und niemand tut etwas dagegen.
Vizekanzler und Finanzminister Josef Pröll stellte im Zusammenhang mit der niederösterreichischen Gemeinderatswahl sogar ein praktisches Vademecum auf. Natürlich, er braucht für die von ihm geplanten Steuer- und Abgabenbelastungen, die 40 Prozent des Sanierungsbedarfs abdecken sollen, die Zustimmung des Koalitionspartners; und er weiß, dass der SPÖ-Chef, Bundeskanzler Werner Faymann, nach dem Seriendebakel seiner Partei in unterschiedlichsten Wahlgängen mit Grauen dem Herbst entgegensieht. In solcher Situation soll ein guter schwarzer Freund mit der Wahrheit nicht zündeln. "Wir haben Ruhe, Arbeitswillen und Zusammenarbeit notwendig", sagte Pröll staatsmännisch.
Übersetzt bedeutet das: Kein kompetenter Bundespolitiker wird ausgerechnet jetzt mit Wahrheiten aufwarten, die den steirischen Landeshauptmann Franz Voves zum gellenden Ruf nach "Verteilungsgerechtigkeit" und ähnlichen Ladenhütern politischer Polemik provozieren oder in Wien die Grenzschutzpartei FPÖ mobilisieren könnten, weil schon wieder Asylantenheime gebaut statt Grenzen dichtgemacht werden. Man wird ja am burgenländischen Wahlergebnis bald sehen, wie weit es Innenministerin Maria Fekter mit solchen leichtsinnigen Projekten gebracht hat.
Die Alternative zum populistischen Nichthandeln gibt es freilich auch: populistisches Handeln. Dann schaffen es SPÖ und ÖVP einträchtig, die gewerbsmäßige Bettelei in Wien gesetzlich zu verbieten. Würde im Herbst nicht gewählt werden, hätten sich die beiden Parteien nie zu dem vernünftigen Beschluss durchgerungen.
Über die zu erwartenden Gräuel zur Sanierung des Staatshaushaltes sind jedoch keine Einzelheiten zu erfahren, sodass Raiffeisen-Generalanwalt Christian Konrad zu Protokoll gibt, dass er sowieso an nichts davon glaubt, schon gar nicht an die Bankensteuer in der diskutierten Form.
Für jene Bürger, die als Steuerzahler letztlich für alles aufkommen müssen, ist die Hinhaltetaktik eine Entmündigung, für die Wirtschaft eine Verunsicherung mit übler Folge. Vieles bleibt stehen, und die meisten Unternehmen lernen von den Politikern und schieben Investitionen zumindest bis Herbst auf. Und das alles bloß, weil Landtagswahlen kommen.
Man sollte sich allmählich wehren, nötigenfalls mit dem Stimmzettel.
Der Autor ist Sprecher der
"Initiative Qualität im Journalismus"; zuvor "Wirtschaftsblatt",
"Presse" und "Salzburger
Nachrichten".