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Der schwarze Schatten

Von Georg Friesenbichler

Politik

Stillstand bei Verhandlungen über irakische Regierung. | Al-Sadr der Mann im Hintergrund. | Der Mann, der stets vom Turban bis zu den Füßen schwarz gekleidet auftritt, sitzt gar nicht im Parlament. Dennoch ist der Prediger Moqtada al-Sadr in hohem Maß dafür verantwortlich, dass im Irak seit Monaten keine neue Regierung zustande kommt.


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Der Mann, der stets vom Turban bis zu den Füßen schwarz gekleidet auftritt, sitzt gar nicht im Parlament. Dennoch ist der Prediger Moqtada al-Sadr in hohem Maß dafür verantwortlich, dass im Irak seit Monaten keine neue Regierung zustande kommt.

Die Anhänger al-Sadrs haben nur 30 von 275 Sitzen im Parlament. Aber sie sind Teil des Wahlbündnisses der religiösen Schiiten, das über die klare Mehrheit verfügt. Und darin können sie das Zünglein an der Waage spielen. Und sie tun das auch.

Der bisherige und nun designierte Ministerpräsident Ibrahim al-Jaafari konnte sich schon bei der Nominierung durch das Schiiten-Bündnis nur mit einer Stimme Vorsprung gegen Adel Abdul Mahdi durchsetzen. Königsmacher war al-Sadr.

Al-Jaafari wird aber von den Sunniten, die Teil der Regierung werden sollen, vorgeworfen, zu wenig gegen die blutigen Auseinandersetzungen zwischen den Glaubensrichtungen zu tun - was wiederum mit der "Mahdi-Armee" seines Unterstützers al-Sadr zusammenhängt, die für die Gewalttaten gegen Sunniten verantwortlich gemacht wird. Die Kurden fürchten, dass al-Sadr, Verfechter eines starken Zentralsstaates, ihre Autonomie im Nordirak einschränken könnte.

In der verfahrenen Situation sind angeblich bereits vier der sieben Parteien in der Schiitischen Allianz von al-Jaafari abgefallen.

Gegen die Nominierung von Konkurrent Abdul Mahdi, den Kurden und Sunniten akzeptieren würden, wehrt sich aber nicht nur die Jaafari-Partei, sondern auch al-Sadr heftig. Alles Drängen von Seiten der USA und Großbritanniens zur schnellen Regierungsbildung verstärkt höchstens die Abwehrhaltung gegenüber den Einmischungen.

Aber die Besatzer verstehen ohnehin nur die Sprache der Stärke, meinen die Anhänger des Geistlichen, der seine Autorität zu einem Teil vom guten Ruf seines Vaters bezieht - der Schiitenführer war unter Saddam ermordet worden.

Al-Sadr ist heute stark wie nie zuvor. Auf 15.000 Bewaffnete wird die Stärke seiner Mahdi-Milizen geschätzt, drei mal so viele wie 2003 und 2004, als sie der US-Armee blutige Kämpfe lieferten.

Im Gegensatz zu damals verfügt er nun nicht nur über seine Abgeordneten, sondern hat auch zwei Minister in der Regierung sitzen. Staatsmännisch gibt er sich auch sonst: Er bereiste in letzter Zeit den Nahen Osten, besuchte die Könige von Saudi-Arabien und Jordanien. Er versucht Kontakte zu Kurden und Sunniten aufzubauen. Und im Religionskonflikt gibt er sich nach außen hin nationalistisch, ruft zur Besonnenheit und Geschlossenheit auf.

Nationalistisch bleibt auch seine Position gegenüber den Amerikanern. Diese will er nach wie vor aus dem Land vertrieben wissen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es so weit ist, glaubt er. Und dann könnte seine Stunde gekommen sein.