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Der schwarze Traum von Grün

Von Walter Hämmerle

Politik

Seit Ende der 1990er planen Vordenker in der ÖVP eine ökosoziale Koalition. Bisher erfolglos.


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Türkis-Grün ist seit Sonntag in aller Munde. Und alle fragen sich, ob die beiden Parteien willens und fähig sein werden, ein Bündnis auf Bundesebene zu schließen. Die Skepsis ist auf beiden Seiten beachtlich, aber fast genau so groß ist der Reiz. Noch in Berlin und Brüssel würde man staunen.

Die Vision einer grün-schwarzen Koalition treibt die ÖVP schon lange um; zugegeben nicht gerade in jenen Kreisen, wo die Mächtigen residieren, aber dort, wo man sich den Raum zum neuen Denken nimmt. Die ersten, die Ende der 1990er Jahre konkret über eine ökosoziale Wende für die ÖVP mithilfe der Grünen diskutierten, waren Thomas Köhler und Christian Mertens. Die beiden Wiener starteten 1999 ihre "Initiative Christdemokratie" an den Außengrenzen ihrer Landespartei; heute steht der EU-Abgeordnete Lukas Mandl der Initiative vor. Mit einer liberalen Stoßrichtung verfolgte damals auch die "Plattform für liberale Politik" diese Vision.

Einige Jahre später griff dann eine neue Gruppe ganz explizit das Ziel einer Koalition mit der Ökopartei auf. Schon der Name bezeichnete das Programm: "Schwarz-Grün". Entstanden ist die Gruppe als Spin-off des Forum Alpbach, erzählt Michael Schuster, eines der Gründungsmitglieder, der "Wiener Zeitung". Zur kleinen Gruppe zählten außerdem die heutige Neos-Obfrau, Beate Meinl-Reisinger, sowie Astrid Dolak und Alexander Lenz. Schuster, aber das nur nebenbei, engagiert sich heute auch bei den Neos.

Suche nach Alternativen jenseits von SPÖ und FPÖ

Doch zurück in die Vergangenheit. Das ganze Jahr 2002 über rumorte es bereits in der FPÖ, damals knapp zweitstärkste Kraft und in einer Koalition mit der ÖVP. Die Suche nach konstruktiven wie stabilen Alternativen zur FPÖ, die nicht den Namen SPÖ trägt, mit der die ÖVP seit undenklichen Zeiten in einer wenig produktiven Koalition festsaß, war in diesem Sommer auch in Alpbach ein Thema. Und hier entschlossen sich die Vier zur Tat.

Am 7. September eskalierte der FPÖ-interne Streit beim legendären Parteitag in Knittelfeld, tags darauf trat das blaue Regierungsteam zurück, Neuwahlen waren damit fix. In dieser Situation starteten Schuster, Meinl, Dolak und Lenz eine Mailing-Aktion, die sich an die beiden damaligen Parteichefs von ÖVP und Grünen, Wolfgang Schüssel und Alexander Van der Bellen, wandte, eine mögliche schwarz-grüne Option sorgfältig zu prüfen. Als nach der Neuwahl Ende November dann tatsächlich eine rechnerische Möglichkeit auf Schwarz-Grün feststand, startete das Quartett einen öffentlichen Aufruf, der auf ein erstaunliches Interesse stieß, wie sich Schuster erinnert: "Die Situation war damals für beide Parteien nicht leicht, beide haben uns gebeten, doch bitte keinen Druck zu machen."

Bekanntlich ist aus dem Experiment nichts geworden. An den Gründen scheiden sich noch heute die Geister: "Die Grünen erzählen, dass die ÖVP von Eurofightern und Studiengebühren nicht lassen wollte; die ÖVP sagt, die Grünen haben Nein gesagt", so Schuster. Ende Februar 2003 wurde die Neuauflage von Schwarz-Blau angelobt. Ende 2004 fasste die Initiative ihre Gedanken in einem Buchprojekt zusammen: "Die Ökosoziale Wende? Perspektiven und Horizonte einer schwarz-grünen Politik."

Der Gedanke an Schwarz-Grün hat die ÖVP auch später nicht losgelassen. Zehn Jahre nach dem Scheitern der ersten Regierungsverhandlungen veröffentliche Harald Mahrer, heute als WKO-Präsident einer der engsten Vertrauten von Sebastian Kurz, eine Spekulation darüber, was aus Österreich geworden wäre, wenn 2002 die ÖVP eine Koalition mit den Grünen gemacht hätte. Eine Vermutung: Die ÖVP hätte 2006 den Kanzler nicht verloren.

Und welche Chancen gibt Schuster heute Türkis-Grün? "Ich kann es mir schwer vorstellen. Es sei denn, Kurz erweist sich als ‚wahrer Populist‘, der stets erkennt, welche Strömungen in der Bevölkerung da sind. Dann gibt es eine Chance."