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Dem vom Bürgerkrieg erschütterten Land zu helfen, ist für Europa nicht nur eine moralische Pflicht, sondern auch ein gemeinsames Interesse.
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Wer weiß, wo sich die Zentralafrikanische Republik befindet? Für die meisten ist das Land nur ein geografischer Name, verloren in der Mitte eines Kontinents. Mit 4,9 Millionen Einwohnern lebt in dem Land kaum mehr als die Hälfte der österreichischen Bevölkerung. Die Katastrophe hat dort vor langer Zeit begonnen. Die offizielle Lebenserwartung der Menschen liegt bei 49,5 Jahren. Als ich zum letzten Mal dort war, hat man mir gesagt, sie läge sogar unter 40 Jahren.
Das ganze Land verfügt über sieben Chirurgen. Die Sterblichkeitsrate der Kinder erreicht in manchen Orten 25 Prozent. Seit der Machtübernahme durch Mitglieder der Seleka-
Rebellion im März hat sich die Situation noch verschlechtert. Die Regierung kontrolliert nur die Hauptstadt, sie wird von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt und hat keinerlei Legitimität. Die Anarchie hat sich überall breitgemacht. 400.000 Menschen - ein Zehntel der gesamten Bevölkerung - haben ihre Wohnungen verlassen; 60.000 Flüchtlinge befinden sich in den Nachbarländern. Ein Völkermord ist nicht mehr auszuschließen. Sollen wir schweigend warten, bis dies eintritt?
Es ist nicht nur um eine humanitäre Katastrophe. Die Ereignisse in der Zentralafrikanischen Republik bedrohen auch die Umwelt. Wilderer töten mehr und mehr Elefanten. Naturschutzgebiete sind gefährdet. Mehr und mehr wandeln sich die Auseinandersetzungen zu Religionskriegen um. Mehr und mehr kämpfen Muslime gegen Christen. Muslimische Räuber greifen christliche Dörfer an, töten Zivilisten, vergewaltigen Frauen. Die Einwohner versuchen sich zu wehren, bilden Milizen, verbrennen Moscheen als Vergeltungsmaßnahmen.
Die Sicherheit der ganzen Region ist betroffen. Al-Kaida-Gruppen sehen in diesem Zustand eine optimale Gelegenheit, den neuen gescheiterten Staat für ihre nächsten terroristischen Operationen zu missbrauchen. Die Destabilisierung könnte sich dann bis zum Sudan, zum Tschad, nach Kamerun ausweiten: Geiselnahmen, Bomben, Angriffe gegen Touristen und ausländische Unternehmen. Wir wissen, wie so etwas anfängt . . .
Diese Bedrohungen stellen auch die europäische Sicherheit infrage. Deshalb ist es nicht nur unsere moralische Pflicht, sondern auch unser gemeinsames Interesse, der Zentralafrikanischen Republik zu helfen. Humanitäre Hilfe ist nötig, ebenso politisches Engagement. Das Land muss stabilisiert werden. Die Afrikanische Union hat Truppen geschickt. Die EU und andere internationale Partner müssen diese Operation finanziell unterstützen. Dies wird vielleicht nicht genügen. Vielleicht wird man UNO-Blauhelme brauchen. Sobald eine Resolution adoptiert ist, wird Frankreich, das schon 410 Soldaten dort stationiert hat, sein Kontingent zur Unterstützung der Truppen der Afrikanischen Union verstärken. Wir müssen alle an einem Strang ziehen. Es betrifft uns alle. Wir dürfen die Tragödie, die sich in diesem kleinen, elenden Land entwickelt, nicht ignorieren. Die Konsequenzen wären schrecklich und langfristig. Nicht nur für die Zentralafrikaner. Auch für die Nachbarländer. Auch für uns.