Zum Hauptinhalt springen

Der schwierige Aufbau der "Failed states"

Von Klaus Huhold

Politik

Experte skizziert die Probleme | Wien. "Das Jahr 2007 wird für die Friedensbemühungen der internationalen Gemeinschaft eine besondere Herausforderung darstellen", ist Winrich Kühne, Direktor des Zentrums für Internationale Friedenseinsätze in Berlin, überzeugt. Denn vom Kongo über Haiti bis Ost-Timor harren Krisenherde eines stabilen Friedens.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 17 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Die Brandherde, in denen sich die Internationale Gemeinschaft friedensstiftend engagiert, verbindet Kühne zufolge vor allem eines: Sie sind allesamt sogenannte "Failed states". In ihnen ist die Zivilgesellschaft vollkommen zusammengebrochen: Der Staat hat sein Gewaltmonopol verloren, die Justiz funktioniert nicht, Korruption, willkürliche Regionalherrscher und gewalttätige Konflikte bestimmen die fatale Entwicklung.

Komplexer Einsatz

So zerrüttet diese Staaten sind, so komplex ist der Einsatz der Staatengemeinschaft. Kühne skizziert anlässlich eines Symposiums der Landesverteidigungsakademie zum Internationalen Krisenmanagement die Schwierigkeiten: Die Aktivitäten hunderter Organisationen - militärischer und ziviler, staatlicher und nichtstaatlicher - müssten unter einen Hut gebracht werden. Außerdem stünde ein bürokratischer Prozess, der der Aufbau von staatlichen Institutionen nun mal sei, zerrütteten informellen Strukturen gegenüber. Eine weitere Gefahr für die Entwicklung dieser Gesellschaften sieht der Experte darin, dass sich oft ehemalige Warlords über den von der internationalen Gemeinschaft in Gang gesetzten demokratischen Prozess legitimieren. Tatsächlich standen sich etwa im Kongo mit Jean-Pierre Bemba und Joseph Kabila zwei ehemalige Kriegsfürsten in der Stichwahl zum Präsidentenamt gegenüber.

"Doch der Gipfel des Eisberges wird oft übersehen" mahnt Kühne. Die Bevölkerung in diesen Staaten sei jung und es herrsche eine immense Arbeitslosigkeit. Kommen nun auch noch billige Waffen ins Land, lassen sich die Jugendlichen schnell wieder von Kriegsherren rekrutieren. So könne man zwar - wie es etwa in Liberia geschehen ist - reintegrative Programme für ehemalige junge Soldaten in die Wege leiten. Doch ist der Kampf um die Ex-Kämpfer verloren, wenn danach keine Arbeitsplätze vorhanden sind, meint der Deutsche. In Liberia liegt die Arbeitslosigkeit momentan bei 85 Prozent.

Zeit wird benötigt

Damit trotz all dieser Probleme der Aufbau eines nachhaltig stabilen Staates eine Chance auf Erfolg hat, bedürfe es besonders zweier Komponenten: Eine Einbindung lokaler Politiker und genügend Zeit. Doch die Dauer der Mandate sei oft viel zu knapp bemessen. Der Grund: Die Regierungen der engagierten Staaten hätten oft Probleme, ihre Einsätze der eigenen Bevölkerung zu erklären. So musste sich die deutsche Regierung immer wieder für ihr Friedensengagement im Kongo rechtfertigen, bei dem EU-Truppen rund um die Präsidentenwahlen für Stabilität sorgen. Deshalb wurde das Mandat auf wenige Monate beschränkt.

Ein zu früher Rückzug aus in sich zusammenbrechenden Staaten kann jedoch fatale Konsequenzen nach sich ziehen: Dies zeigte das Beispiel Osttimor, wo es nach dem Abzug der UN-Blauhelme zu schweren Unruhen kam. Daraufhin musste erneut eine internationale Schutztruppe ins Land entsandt werden.