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Der seltsame Fall des Oliver Glasner

Von Christian Mayr

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WZ  Christian Mayr
WZ  Christian Mayr
© Wiener Zeitung

Es ist noch kein Jahr her, da schrieb Oliver Glasner ein fast kitschiges Stück rot-weiß-roter Fußballgeschichte. Aus dem ballestrischen Niemandsland Innviertel einst ausgezogen, um die große, weite Welt zu erobern, gelang ihm mit Eintracht Frankfurt tatsächlich der Gewinn der Europa League. Die Apotheose zum unverkäuflichen Kulttrainer beim deutschen Kultklub erfuhr sogleich eine Erhöhung, indem Glasner die Hessen bei der erstmaligen Champions-League-Teilnahme gleich ins Achtelfinale führte. Und nun auch noch ins DFB-Pokalfinale am 3. Juni.

Doch längst sind die einstigen Schulterklopfer vom Main zu gemeinen Prügelknaben geworden, die darüber diskutieren, ob Glasner vor oder erst nach dem Endspiel gegangen wird. Natürlich hat der an sich besonnene 48-Jährige seinen Teil zum eigenen Fall beigetragen, weil die Misere in der Meisterschaft ihn offenkundig zu einem zartbesaiteten Nervenbündel mutieren ließ. Bei seiner jüngsten Wutrede verwechselte er die - wenn auch provokante, so doch legitime - Frage eines Journalisten mit einer persönlichen Anklage gegen ihn. Gott sei Dank gibt es solche Fragen, denn kein Leser/Seher will mehr mit "Wie fühlen Sie sich?" oder "Können Sie es schon realisieren?" belästigt werden. Warum man den innerlich dampfenden Glasner von Klubseite aber zuletzt nicht professionell unterstützt und aus der Schusslinie genommen hat, bleibt das große Rätsel. Man hätte sich und Glasner viel erspart und wieder Ruhe haben können.

Aber hinter der Fassade des Kultklubs brodelt es halt schon länger - siehe der merkwürdige Abgang von Martin Hinteregger, siehe die Gewaltexzesse der angeblich kultigsten Fans Deutschlands. Dort hat Glasner keine Zukunft mehr - und das ist vielleicht auch gut so. Aber wenn man sich seiner Erfolge in den vergangenen 365 Tagen erinnert, kann er sich seinen neuen Arbeitgeber ohnedies aussuchen.