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Der Sex-Appeal der Tapetentür

Von Walter Hämmerle

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Nach diesem Wahlkampf wissen wir ziemlich viel über die Kandidaten, das wir vielleicht gar nicht wissen wollten.


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Es ist noch gar nicht so lange her, da pflegte ein gewählter Bundespräsident Interviewfragen am liebsten schriftlich per Fax zu beantworten. Auf dass unangenehme Nachfragen tunlichst ausgeschlossen sind. (Ausgewählte Journalisten natürlich ausgenommen.) Der nächste Bundespräsident wird erst einmal alle Hände voll zu tun haben, zunächst einmal wieder ein klein wenig Distanz zwischen sich und die Medienwelt zu bringen. Es wird auf jeden Fall kein leichtes Unterfangen sein, wieder wenigstens einen Teil jener Aura der tagespolitischen Abgehobenheit zurückzugewinnen, die - zumindest nach bisherigen Usancen - zum höchsten Amt der Republik gehören. Schließlich verdankt sich der Sex-Appeal der roten präsidialen Tapetentür in der Hofburg dem Umstand, dass sie allenfalls für Augenblicke geöffnet wird, die Vorgänge dahinter ansonsten jedoch dem neugierigen Blick der Öffentlichkeit verlässlich entzogen bleiben.

In diesem Wahlkampf, das scheint jedenfalls der erklärte Ehrgeiz der medialen Berichterstatter zu sein, soll dagegen gar nichts der Öffentlichkeit verborgen bleiben. So gesehen ist das Lugner’sche Prinzip der Öffentlichkeitsarbeit längst auch in der angeblich "richtigen Politik" auf dem Siegeszug. Die Liste der persönlichen Details, die wohl allenfalls eine Minderheit unbedingt über die Kandidaten wissen wollte, wird mit jedem Tag Intensiv-Wahlkampf ein gutes Stück länger. So gesehen kann mit Fug und Recht behauptet werden, dass diese Kampagne Spuren an Amt und Würden hinterlassen wird.

In ihrem Bemühen, vor allem menschlich, natürlich sympathisch und - ganz, ganz wichtig - bodenständig zu wirken, unterzog sich die Kandidatenriege einem medial großflächig inszenierten Testparcours hart an der Grenze des persönlich Zumutbaren. Bemerkenswert daran ist weniger das Bestreben der Medien, dem im Vorfeld als öde verschrieenen Wahlkampf um das höchste Amt im Staat Unterhaltungswert abzuringen, als die Erkenntnis, dass keiner der Bewerber auch nur den Versuch wagte, sich diesem Unterfangen zu entziehen. Allenfalls an dem einen oder anderen kameratechnisch entgleisten Mienenspiel und einer Handvoll herausgerutschter Wortfetzen konnte man da und dort Unbehagen an der eigenen Vorführung erkennen.

Ganz grundsätzlich spricht nicht nur überhaupt nichts dagegen und sogar sehr, sehr viel für eine Vermittlung von Politikern und ihren Inhalten, die nicht schon nach zehn Zeilen zum Umblättern oder nach 30 Sekunden zum Wegschalten verleitet. Die Kunst besteht darin, die Grenze zur Lächerlichkeit allenfalls selbstironisch zu streifen. Mit der Würde eines Politikers ist es nämlich wie mit dem Vertrauen: Einmal verloren, muss man sich unendlich lange plagen, sie wenigstens halbwegs wieder instand zu setzen. Und selbst dann bleiben noch immer peinliche Sätze und ebensolche Bilder in den Archiven zurück, stets bereit, bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit wieder hervorgekramt zu werden.

Natürlich könnte sich die Politik auch eine ernsthafte Gegenstrategie zur grassierenden Lust am seichten Infotainment überlegen. Ernsthafte Politik zum Beispiel.