ÖVP erhält unliebsame Konkurrenz beim Mittelstand. | SPÖ und BZÖ am spendabelsten, ÖVP und Grüne eher zurückhaltend.
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Wien. Verflossene Liebschaften gibt es auch in der Politik. Der in vergangenen Wahlkämpfen viel umworbene "kleine Mann" ist vorerst einmal auf dem Abstellgleis gelandet. Die neue Flamme der Parteien heißt Mittelstand.
Gemeinsam ist beiden Objekten der Parteiengunst ein Maximum an Unschärfe. Denn wer alles darunter fällt, das hängt mehr von Interessen der Parteien als von objektiven Faktoren ab. So fallen Arbeitnehmer ebenso unter die Rubrik Mittelstand wie Freiberufler und Selbständige. Die Einkommen variieren mindestens ebenso stark wie die Berufsgruppen: Praktisch alle zwischen 2000 und 7000 Euro Monatsbruttoeinkommen dürfen sich zugehörig fühlen.
Seit Monaten vergeht nun keine Woche, in der die neue Liebschaft nicht umworben und mit Entlastungen und Erleichterungen aller Art gelockt wird. Die anteilsmäßig mit Abstand größte Bevölkerungsgruppe will eben umsorgt werden. Sowohl ÖVP als auch SPÖ sind auf die Wählerstimmen des Mittelstands angewiesen, um zur stärksten Kraft zu werden.
Nur der Leiter des Instituts für höhere Studien (IHS), Bernhard Felderer, hat mit diesem Wettlauf der Parteien um die Gunst des Mittelstandes wenig Freude. Seine Sorge gilt dem Budget. Grudsätzlich sei eine Entlastung der mittleren Einkommensbezieher natürlich wünschenswert. Nur: "Das kostet uns sehr viel Geld, das geht schnell in die Milliarden", ist Felderer überzeugt, handelt es sich bei der Zielgruppe doch um jene, die das Gros des Steueraufkommens beitragen.
ÖVP: Konkretes erst rechtzeitig vor Wahlen
Für die ÖVP handelt es sich beim Werben um diese Leistungsträger um ein Heimspiel, sieht sich die Kanzlerpartei doch als "traditionelle Partei des Mittelstandes", erklärt Generalsekretär Reinhold Lopatka. Von einer Definition nach Einkommen hält er in diesem Zusammenhang jedoch nichts: Diese Gruppe sei dafür viel zu groß und vielfältig. Auch mit konkreten Versprechungen hält sich Lopatka zurück: "Allen alles zu versprechen war nie die Linie der ÖVP und wird es auch diesmal nicht sein." Statt über künftige Vorhaben will er deshalb lieber über die Segnungen der letzten Steuerreform sprechen, die die Lohn- und Einkommensbezieher um zwei Milliarden entlastet habe.
Ganz mit leeren Händen wird aber auch die ÖVP im Herbst nicht vor die Wähler des Mittelstands treten. Eine interne Arbeitsgruppe arbeite an konkreten weiteren Entlastungsschritten, gibt Lopatka preis. Konkretes werde man allerdings erst "rechtzeitig vor dem Wahltag" präsentieren.
Beim Koalitionspartner BZÖ ist man da schon weiter. Als Vision bleibt man hier der Flat Tax-Idee weiter treu. Künftig soll es nur noch zwei Steuersätze von 25 bzw. 50 Prozent geben. Letzterer soll noch dazu erst ab einem höheren Einkommen als bisher fällig werden. Die Bemessungsgrundlage für den Spitzensteuersatz soll von derzeit 51.000 Euro auf zwischen 72.000 und 84.000 Euro Jahresbruttoeinkommen angehoben werden.
SPÖ verspricht "Sofortentlastung"
Verhältnismäßig neuen Boden betritt die SPÖ mit ihrem Werben um den Mittelstand. Zumindest rhetorisch stand in früheren Zeiten der kleine Mann im Mittelpunkt. Als "Sofortmaßnahme" für die "Zahlmeister der Nation", wie Budgetsprecher Christoph Matznetter den Mittelstand bezeichnet, kündigt er eine "Sofortentlastung" von 300 bis 400 Euro pro Kopf und Jahr an. Zu diesem Zweck will er die Lohn- und Einkommensteuertarife bis zu einer Grenze von 6000 Euro monatlich linear senken und Pendlerpauschale um 15 Prozent sowie Kilometergeld auf 42 Cent anheben.
Auch um die kleinen Unternehmen will sich Matznetter in Zukunft verstärkt kümmern, etwa durch eine Wiedereinführung der steuerlichen Investitionsbegünstigung, der Abschaffung der Mindest-Körperschaftssteuer sowie der Einrichtung eines Wachstums- und Stabilitätsfonds.
Die Kosten dafür beziffert Matznetter mit rund 2,5 Milliarden. Die Gegenfinanzierung soll über die Abschaffung der Gruppenbesteuerung für Konzerne sowie die Einhebung von "ehrlichen" 25 Prozent Körperschaftssteuer erfolgen.
Auf der Belastungsseite plant die SPÖ allerdings auch im Gesundheitsbereich die Anhebung der Bemessungsgrundlage auf 5000 Euro; ein Umstand, der ihr von Seiten der ÖVP prompt den Vorwurf der "Widersprüchlichkeit" eingetragen hat.
Auch die Grünen haben für diesen Wahlkampf den Mittelstand entdeckt - auch wenn Budgetsprecher Werner Kogler gegen den Begriff politisch so manchen Vorbehalt hat. Sein Argument: Die Belastung durch Steuern und Abgaben ist für ihn in der Einkommensklasse zwischen 40.000 und 70.000 Jahresbrutto-Einkommen "enorm".
Grüne: Höchststeuersatz ab 70.000 Euro
Kogler fordert daher die Grenze für den Spitzensteuersatz auf 70.000 anzuheben. Dass dies aus dem Mund eines Grünen in vielen Ohren überraschend klingen mag, gibt Kogler gerne zu. Dies würde zu einer jährlichen Entlastung von bis zu 1300 Euro führen. Kogler betont, dass sämtliche Steuervorschläge der Grünen für das Budget aufkommensneutral angelegt seien. Finanzierugsspielraum sieht er bei den Steuerprivilegien der Stiftungen.
P.S.: Die FPÖ war trotz mehrmaliger Versuche nicht zur Preisgabe ihrer Konzepte für den Mittelstand zu bewegen.