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Der Sinn von Abkühlungsphasen nach der Politik

Von Martina Madner

Politik

Gernot Blümel wird CEO bei Superfund. Was beim Wechsel aus der Politik in die Wirtschaft beachtet werden könnte.


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Nicht mit großem Brimborium und Pressekonferenz, sondern einfacher Aussendung sollte es die Welt erfahren: "Mag. Gernot Blümel, MBA, ehemaliger Finanzminister der Republik Österreich, wird zum Chief Executive Officer (CEO) der Superfund Gruppe von Investmentunternehmen bestellt."

Der ehemalige ÖVP-Politiker war bekanntermaßen bis 6. Dezember Österreichs Finanzminister. Nur kurze Zeit nach dem endgültigen Rückzug von Sebastian Kurz aus der Politik, der damals noch ÖVP-Partei- und Klubobmann war, gab auch Blümel den seinigen bekannt. Mit einem Facebook-Video, in dem unerwähnt blieb, dass die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) die Anzeigen wegen falscher Zeugenaussage im Ibiza-U-Ausschuss gegen ihn zurückgelegt hat. Unerwähnt blieb auch, dass er in einem anderen Fall weiterhin als Beschuldigter geführt wird. Die WKStA geht dem Verdacht nach, dass ÖVP-geführte Ministerien Novomatic bei Steuerproblemen in Italien geholfen haben und im Gegenzug Spendenangebote des Konzerns an die ÖVP erfolgt sein sollen. Blümel bestreitet die Vorwürfe.

Wie Kurz auch begründete Blümel den Ausstieg aus der Politik mit seiner Familie. Wer sich vom zweifachen Vater erwartet hat, dass er nun hauptsächlich die unbezahlte Arbeit mit den Kindern erledigt, wurde nun eines Besseren belehrt. Gute drei Monate später, "ab März 2022", soll es losgehen. Blümel soll "vor allem die internationale Expansion forcieren" und werde zwischen den Standorten des Investmentunternehmens in Wien, Tokio, Hongkong, New York, Vaduz und Zürich pendeln.

Er freue sich "besonders, künftig mit engagierten Menschen rund um den Globus zusammen zu arbeiten, um diese Erfolgsgeschichte fortzuschreiben", wird Blümel in der Aussendung des Hedgefonds zitiert. Superfund-Gründer Christian Baha sieht in Blümel "einen CEO, der in der internationalen Finanzwelt exzellent vernetzt ist". Der ehemalige Finanzminister ist also Finanzdienstleister, was den Juristen, Sozialwissenschaftler und früheren Leiter der internationalen Antikorruptionsakademie Martin Kreutner im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" erst zum Lachen bringt. Was darüber hinaus aber ein Anlass ist, über Abkühlungsphasen nach politischen Tätigkeiten zu diskutieren.

Warum neue Jobs von Ex-Politikern heikel sind

Kreutner erklärt, dass bei der Wahl der Arbeit nach der Politik immer zwei Interessen aufeinandertreffen: "die verfassungsrechtlich abgesicherte Erwerbsfreiheit auf der einen Seite und Befangenheiten und Interessenkonflikte auf der anderen". Um zweitere zu vermeiden, gibt es – anders als in Österreich – auf europäischer Ebene Abkühlphasen: In dieser Zeit müssen vormalige Mitglieder einer Kommission "anzeigen", welcher Beschäftigung sie nachgehen wollen. Werden durch die neue Tätigkeit öffentliche Interessen beeinträchtigt, kann sie untersagt werden. Der Sinn hinter solchen Regelungen ist, dass sich Politikerinnen und Politiker während ihrer Tätigkeit keine Türen für Jobs danach offen zu halten versuchen. Es soll auch Versuchen von Unternehmen vorbeugen, sich interessanten Personen während deren aktiver Zeit "wohlwollend gegenüber zu zeigen", wie es Kreutner vorsichtig formuliert.

Nachdem der frühere EU-Kommissionschef José Manuel Barroso 2016 zur Investmentbank Goldman Sachs wechselte, hatte Transparency International eine Verlängerung der Abkühlperiode von damals 18 Monaten gefordert. 2018 wurden die Compliance-Regelungen der Kommission verschärft. Aus den 18 Monaten wurden zwei Jahre Abkühlphase, für vormalige Kommissionspräsidenten und -präsidentinnen gelten seither drei Jahre. Darüber hinaus gibt es einen Unabhängigen Ethikausschuss, der über allfällige Interessenkonflikte befindet. Für EU-Beamte sind Jobs mit Interessenkonflikten danach sogar grundsätzlich untersagt. "Diese Regelung ist bestechend", sagt Kreutner. Denn: "Dass man nachweisen muss, dass kein Interessenkonflikt vorliegt, kommt de facto einer Beweislastumkehr gleich."

Trennschärfe ist nicht klar gesetzlich regelbar

"Diese Firmen kaufen sich nicht die Person, sondern die Kontakte und Netzwerke früherer Politiker ein", sagt der Antikorruptionsexperte. Und: "Es wird sich auch ein Gernot Blümel die Frage gefallen lassen müssen: Was ist das für eine Optik?" Für Unternehmen gebe es in Österreich bereits strenge Compliance Regelungen: "Was man vom privaten Sektor einfordert, muss auch für die Politik gelten." Der Mitinitiator des Volksbegehrens versteht Politik als "treuhänderische Wahrnehmung des Gemeinwohls", und: "Natürlich wirkt diese Treuepflicht auch über die Amtsphase hinaus", lautet Kreutners kritische Analyse.

Auf der Homepage des Antikorruptionsvolksbegehrens sind Abkühlphasen nicht explizit erwähnt, wohl aber wird Anstand und Integrität gefordert: "Was moralisch verwerflich ist, kann politisch nicht opportun sein!" Nicht alles, was rechtlich keine Korruption ist, sei nicht automatisch nicht korrumpierend und im Sinne des politischen Mandats: "Das ist so, wie wenn ein Priester Keuschheit von der Kanzel predigt, aber regelmäßig ins Bordell geht. Es ist zwar nicht verboten, es korrumpiert ihn aber", erklärt Kreutner. Strengere Regelungen machen deshalb auch in Österreich Sinn. Aber: "Manches lässt sich legistisch nicht regeln. Politikerinnen und Politiker tragen auch selbst die Verantwortung. Und nicht alles, was nicht verboten ist, ist als legitim zu betrachten."

Das Anti-Korruptionsvolksbegehren kann zwischen 2. und 9. Mai während der vom Innenministerium festgelegten Eintragungswoche unterzeichnet werden. Informationen dazu: antikorruptionsbegehren.at