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Der Sonnenkönig hat es erfolgreich vorgemacht - und sein Erbe?

Von Walter Hämmerle

Politik

Fast täglich hat in der derzeitigen fiebrigen Polit-Stimmung eine neue Variante im Spiel der Optionen bei der Bildung einer neuen Regierung Oberwasser. Seit Wiens Bürgermeister am Montag laut über eine rote Minderheitsregierung nachgedacht hat, ist diese über Nacht zum heißesten Tipp anvanciert.


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"Ich glaube fast, Gusenbauer möchte Kreisky imitieren" - der Wiener Politologe Peter Gerlich dürfte mit seinem Verdacht nicht allein dastehen. Immerhin gilt der SPÖ-Chef als bekennender Kreisky-Fan. Und auch die SPÖ-Ikone startete ihre Kanzler-Karriere als Chef einer SPÖ-Minderheitsregierung. Allerdings hatte jener damals eine fixe Unterstützungszusage der FPÖ in der Tasche. Ähnliches von Grünen und FPÖ kann Gusenbauer - zumindest, wenn man deren öffentlichen Bekenntnissen glauben kann - derzeit nicht vorweisen.

Dennoch deutet für Gerlich einiges darauf hin, dass die SPÖ das Wagnis einer Minderheitsregierung eingehen wird, wenn die ÖVP weiter auf ihrem Standpunkt beharrt. Zum einen, weil Bundespräsident Heinz Fischer früher oder später eine neue Regierung präsentieren müsse, "denn daran wird er gemessen". Zum anderen hält es der Politologe auch nicht für ausgeschlossen, dass sich SPÖ mit Grünen und FPÖ wechselweise auf einige Projekte einigen kann - um so die Lebensdauer einer Minderheitsregierung über einige Monate hinaus auszudehnen. Vor allem die FPÖ könnte sich dann in einer vorteilhaften Position wiederfinden, weil ein Kanzler Gusenbauer von ihr abhängen würde.

Theoretisch möglich ist allerdings auch, dass der Bundespräsident ein Expertenbzw. Beamtenkabinett installiert. Dem würde wohl dennoch Gusenbauer als Kanzler vorstehen. Dies muss aber nicht unbedingt der Fall sein. Tatsächlich hat in der Ersten Republik schon einmal eine solche Konstruktion die Amtsgeschäfte geführt. Für einen Tag hatte sogar ein Beamter die Funktion des Kanzlers inne: Walter Breisky war im Jänner 1922 für einen Tag Herr am Ballhausplatz. Das war es dann aber auch. Ab 1923 musste er seine Karriere als Präsident des Bundesamts für Statistik beenden.