)
EU-Vorsitzland ringt mit Bildung einer Koalition. | Politische Gegenpole müssen zusammenfinden. | Brüssel. Für die Zukunft des derzeitigen EU-Vorsitzlandes Belgien ist vor dem Wochenende eine entscheidende Phase angebrochen. Mit der "Vorbereitung einer Regierungsbildung" betraute König Albert II. den Wahlsieger aus dem südlichen Wallonien, Elio Di Rupo. Der Sozialist könnte der erste frankophone Premier des Landes seit 1974 werden. Es handle sich um "einen Schlüsselmoment in der Geschichte unseres Landes", meinte Di Rupo.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Er übernahm das Staffelholz auf dem Weg zu einer neuen Koalition vom Wahlsieger im Norden, von dem flämischen Separatisten Bart De Wever von der "Neuen Flämischen Allianz" (N-VA). Der hat sich nach drei Wochen Sondierungsgesprächen bedeckt über seine Fortschritte gehalten, um die Verhandlungsergebnisse nicht durch die Veröffentlichung zunichte zu machen, wie er sagte. Es gebe aber durchaus bereits Schnittstellen unter den Parteien. Für eine Regierungsbildung sei es jedoch noch zu früh, erklärte De Wever. Welche der bis zu neun möglichen Regierungsparteien er meinte, ließ er offen.
Ringen ums Geld
Dass es Fortschritte gegeben hat, kann man daraus ablesen, dass der König die neue Verhandlungsphase der "Vorbereitung" erfunden hat und Di Rupo den Job auch angenommen hat. Sähe er die Lage als aussichtslos an, würde er das Risiko wohl nicht auf sich nehmen. Und dass die politischen Gegenpole der wallonischen Sozialisten (PS) und der flämischen Separatisten binnen Wochen zu einer Allianz zusammenfinden, hat ohnehin niemand erwartet.
Denn N-VA trat bisher stets für eine Kompetenzverlagerung an die Landesteile als Zwischenschritt für die Auslösung Belgiens ein. So sollten rasch die millionenschweren Transferzahlungen in den Süden eingedämmt werden. Die PS aber will finanzielle Solidarität.
Noch immer können die Bemühungen um eine neue belgische Regierung daher in einem ähnlichen Debakel enden wie vor drei Jahren. Auch damals hatte der Wahlsieger aus Flandern die Sondierungsgespräche nach rund drei Wochen beendet - und fast zehn Monate für die Regierungsbildung gebraucht. Es handelte sich um den immer noch amtierenden Premierminister Yves Leterme.
Anders als diesem 2007 bescheinigen De Wever nun aber auch die wallonischen Zeitungen, dass er sich als besonnener Verhandler für eine neue föderale Regierung erwiesen habe. Im Wahlkampf noch voller Hohn über den Zentralstaat, habe er sich jetzt professionell den belgischen Prozeduren unterworfen. Auf den Job des Regierungschefs hat De Wever aber keine Lust, wie er bereits mehrfach durchklingen ließ. Optimisten rechnen daher mit einer Regierung unter Di Rupo im Oktober. Gut möglich ist aber auch, dass der abgewählte Leterme noch bis Dezember im Amt ist.