Zur politischen Lähmung kommt, dass sich die Wirtschaft nur langsam erholt. Bei den Bürgern kommt der Aufschwung nicht an.
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Madrid. Vier Monate nach den Parlamentswahlen sind die Verhandlungen zur Bildung einer Regierungskoalition endgültig gescheitert. So blieb König Felipe VI. nichts anders übrig, als anzukündigen, dass am Dienstag kommender Woche das Parlament fristgerecht aufgelöst wird und Neuwahlen ausgerufen werden. Wahrscheinlicher Wahltermin ist der 26. Juni. Doch warum gelang unter Spaniens vier maßgebende Parteien keine Einigung?
Zweifellos spielte die tiefsitzende Feindschaft zwischen dem konservativen Noch-Ministerpräsidenten Mariano Rajoy (PP) und dem bisherigen sozialistischen Oppositionsführer Pedro Sánchez (PSOE) eine wichtige Rolle beim Scheitern einer großen Koalition.
Maßgeblich war auch die Frage über die Fortführung des harten Sanierungsprogramms, mit dem Rajoy sein Land aus der tiefen Wirtschaftskrise führte. Die viertplatzierten, liberalen Ciudadanos, deren Wirtschaftsprogramm verstärkt auf Förderung der Eigeninitiative und Steueranhebungen setzt, wollen an der Sparpolitik keine Abstriche machen. Sozialist Sánchez plant bei seiner sozial verträglicheren Finanzpolitik nur kosmetische Veränderungen, kaschiert dies aber gerne, um sich zumindest öffentlich nicht zu stark dem Wirtschaftskurs der Konservativen zu nähern. So hatte Sánchez auch kein Problem damit, die konservativen, aber im Vergleich zur PP gemäßigteren Spar- und Reformpläne der Liberalen zu akzeptieren und einen Koalitionspakt einzugehen.
Doch damit kam ein neues Problem - Spaniens linke Anti-Austeritätspartei Podemos. Die Sozialisten und die Liberalen brauchten für eine Parlamentsmehrheit die Unterstützung der neuen Protestpartei, die aus den Parlamentswahlen auf Anhieb als drittstärkste Partei knapp hinter den Sozialisten hervorging. Der erst 37-jährige Podemos-Chef Pablo Iglesias stellte sich dem jedoch vehement entgegen.
Vor allem aufgrund wirtschaftspolitischer Differenzen wollte Iglesias weder einer Mitte-Links-Koalition aus Sozialisten und Liberalen beitreten, noch eine sozialistische Minderheitsregierung zulassen. Das ans Utopische grenzende Wirtschaftsprogramm hielt hingegen sämtlich Parteien vor einem Pakt mit Podemos zurück. Die spanische Syriza-Schwesterpartei kündigte selbstbewusst an, das EU-Defizitziel bis 2019 nicht mehr einhalten zu wollen, sollte sie an die Macht kommen. Zudem wollte die basisdemokratische Linkspartei zusätzlich 96 Milliarden Euro in die Gesundheits- und Bildungsstruktur und Pensionen investieren.
Woher sie das Geld nehmen will, bleibt den meisten spanischen Finanzexperten ein Rätsel. Eigentlich gibt es für Spanien auch keine Alternative zum Sparen. Denn das Haushaltsdefizit lag 2015 immer noch bei 5,5 Prozent, einen Punkt schlechter als mit der EU vereinbart. Zudem wird die Wirtschaft nach Angaben von Wirtschaftsminister Luis de Guindos 2016 und auch 2017 nicht so stark wachsen wie bisher vorhergesagt. Laut seiner Prognose gehe das Wachstum heuer von 3,0 auf 2,7 Prozent und für das kommende Jahr von 2,7 auf 2,4 Prozent zurück.
45 Prozent der Jungen ohne Job
Die Arbeitslosenquote ging in den vergangenen Jahren zwar leicht zurück, liegt aber trotz makroökonomischer Verbesserung mit mehr als 22 Prozent aber immer noch sehr hoch. Vor allem die Jugendarbeitslosigkeit ist immer noch erdrückend. Mit 45,3 Prozent ist fast jeder zweite Spanier unter 25 Jahren ohne Job.
Vor der Krise 2008 verdienten junge Berufstätige trotz Vollzeitarbeit nicht mehr als tausend Euro im Monat. Heuer könnten die meisten jungen Leute von tausend Euro im Monat nur träumen. Viele Akademiker kellnern, wenn sie nicht ihr Glück im Ausland wagen. So zieht es immer noch tausende junger Spanier zum Arbeiten nach Deutschland, Österreich, England oder Frankreich.
"Das Sanierungsprogramm der Regierung hat zweifelsohne dazu beigetragen, dass sich die Wirtschaft in Spanien langsam erholt. Doch die Bürger, vor allem junge Menschen, bekommen diese Erholung noch nicht zu spüren", erklärt Wirtschaftsexperte Juan Carlos Martínez Lázaro von der Madrider IE Business School einen Grund, warum Podemos und Ciudadanos aus dem Stand 20,7 beziehungsweise 13,9 Prozent im Dezember erreichten.
Ihr Erfolg drückte den Wunsch vieler junger Spanier nach einem Wandel aus. Doch vor allem die älteren Wähler, die eine Mehrheit in Spanien stellen, erhörten Rajoys Warnung vor wirtschaftspolitischen linken Abenteuern in einer immer noch fragilen Wirtschaftserholung.
So entstanden unklare Mehrheitsverhältnisse. Ob sich diese bei Neuwahlen verändern werden, bleibt abzuwarten.
Nun haben die Spanier zumindest eine zweite Chance an den Urnen, nachdem die Politik nicht in der Lage war, mit den neuen Machtverhältnissen umzugehen.