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Der Spargel sprießt, die Pflücker fehlen

Von Claudia Peintner

Wirtschaft

Gemüsebauern im Marchfeld bangen vor Arbeitsmarktöffnung. | Spargel aus der Slowakei um die Hälfte billiger. | Lassee. Scheint die Sonne stark, schießt der Spargel an einem Tag bis zu 14 Zentimeter in die Höhe. Für den Marchfelder Bio-Spargelbauern Markus Brandenstein heißt das: Schnell mit voller Mannschaft hinaus auf die Äcker, die noch mit dunklen Planen bedeckt sind. Jana, Lubomir und Stanislav sind drei von insgesamt 38 Erntehelfern, die am alten Gutshof für sechs Wochen arbeiten.


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Österreicher wollen keine am Feld arbeiten, deshalb beschäftigt der Marchfelder schon seit 20 Jahren Slowaken, Rumänen und Bulgaren. Die Bewilligung für Saisonarbeitskräfte musste bisher jährlich beim AMS beantragt werden. Anders als etwa die Baubranche konnten die Gemüsebauern auf einen Pool aus Saisonniers (rund 10.400 im Jahr) und Erntehelfern (rund 7000) zurückgreifen. Während der Saisonspitzen war das Kontingent ausgelastet.

Gebückt in der Hitze

Durch die Arbeitsmarktöffnung im Mai fällt für Bürger aus Tschechien, der Slowakei, Slowenien, Ungarn, Polen, Estland, Lettland und Litauen die Notwendigkeit weg, sich eine Beschäftigungsbewilligung besorgen zu müssen. Eine Erleichterung für die Gemüsebauern - möchte man meinen. Tatsächlich stehen die Gemüsebauern unter Strom: "Wir befürchten, dass die Leute, die wir jetzt haben, nicht mehr für uns zur Verfügung stehen", sagt Josef Keferböck von der Landwirtschaftskammer Niederösterreich. Statt bei der Gemüseernte zu helfen - meist in gebückter Haltung, der Sonne und Kälte ausgesetzt -, werden sich viele Polen und Slowaken im Baunebengewerbe umschauen, so Keferböck. Sie streben eine besser bezahlte Dauerbeschäftigung an, statt nur wochenweise am Acker zu arbeiten.

Für heuer seien alle Leute aufgestellt, was nächstes Jahr passiert, wisse er nicht, sagt Brandenstein, der seinen Bio-Spargel an große Lebensmittelketten und Wiener Märkte liefert.

Für Unmut sorgt auch das soeben beschlossene Lohn- und Sozialdumpinggesetz. Ab Mai wird die Finanzpolizei (vormals Kiab) auch an den Türen der Gurken-, Erbsen- und Rotkrautanbauer läuten. Es soll geprüft werden, ob alle Arbeitnehmer kollektivvertraglich entlohnt werden.

An die 1120 Euro brutto im Monat bekommt ein Erntehelfer in Österreich bezahlt. Im Fall von Brandenstein kommen in der Hochsaison April bis Juni mindestens zehn Feiertage hinzu, an denen die Feldarbeiter einen hundertprozentigen Aufschlag erhalten. "Unsere Lohnkosten steigen ins Unermessliche. Wir brauchen Spargelpreise von 6 bis 7 Euro pro Kilo, um das Geschäft weiterbetreiben zu können."

Besonders bitter: Keine zehn Kilometer Luftlinie vom Gut entfernt, steht ein slowakischer Stand, der das daumendicke Wurzelgemüse um rund drei Euro verkauft. Ein Gesetz, das auch diese Art von Sozialdumping bekämpft, auf das wartet der Landwirt noch. Selbst in Deutschland liegen die Lohnnebenkosten der Spargelbauern teils um die Hälfte niedriger als in Österreich. Der Grund: Es gibt für die Erntehelfer keine Kollektivverträge. Die Deutschen können so nicht nur ihr Gemüse billiger anbieten, sondern im Endeffekt auch den Erntehelfern mehr zahlen, was den Abzug aus Österreich mitunter verstärkt.

Nebulöse Kontingente

Wie undurchsichtig die Lage der Spargelbauern derzeit ist, zeigt auch der jüngste Vorfall: Die Politik hat bereits Anfang des Jahres - im Hinblick auf die Arbeitsmarktöffnung - das Kontingent für Saisonniers und Erntehelfer reduziert. Als die Marchfelder Spargelbauern wie alljährlich im April beim AMS um Feldarbeiter ansuchten, war der Pool ausgeschöpft.

Die Saison startet dieser Tage, die Mitarbeiter aus dem Osten sind jedoch erst ab Mai greifbar. Erst in einer nächtlichen Sitzung Ende der Woche gab es Entwarnung: Die Politik beschloss kurzfristig, 300 Saisonniers-Plätze für die Erntearbeiten umzuwidmen.