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Der Spion, der nicht Englisch spricht

Von Daniel Bischof

Politik

Nach dem Endbericht zum Wiener Terroranschlag soll das BVT auf neue Beine gestellt werden. Ein erster Teil der Reform wurde bereits im Sommer beschlossen. Die Neos wollen wissen, wie es darum steht.


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Statt mit Affären soll es künftig mit Erfolgen glänzen: An einer Reform des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) wird derzeit gewerkt. Die stark kriminalpolizeilich geprägte Behörde soll eine schlagkräftige nachrichtendienstliche Säule erhalten. Reformvorschläge liefert dabei auch der Endbericht der U-Kommission zum Wiener Terroranschlag vom 2. November. Er soll am Mittwoch veröffentlicht werden.

Beim Blick in die Zukunft kann schnell vergessen werden, dass der erste Teil der BVT-Reform bereits im Sommer 2020 im Nationalrat beschlossen wurde. Er fokussiert sich auf das Personal der Behörde: Es soll besser qualifiziert sein und genauer überprüft werden. Wie wichtig das ist, haben die jüngsten Affären gezeigt: Ex-BVT-Mitarbeiter sollen Staatsgeheimnisse verkauft und dem Ex-Wirecard-Manager Jan Marsalek bei seiner Flucht geholfen haben.

Wie es um diesen ersten Teil der BVT-Reform steht, wollen nun die Neos wissen. Nationalratsabgeordnete und Neos-Sicherheitssprecherin Stephanie Krisper bringt dazu eine parlamentarische Anfrage ein. "Denn das Humankapital ist die wohl wichtigste Zutat eines effektiven und funktionstüchtigen Staatsschutzes", schreibt Krisper. Die Anfrage liegt der "Wiener Zeitung" vor. Im Fokus steht dabei unter anderem die Rekrutierung des BVT-Personals.

Rivalitäten in der Behörde

Die Personalauswahl im BVT war immer wieder kritisiert worden, weil statt der Qualifikation vielfach das ÖVP-Parteibuch den Ausschlag gegeben haben soll. Dadurch seien fachlich ungeeignete Personen ins BVT gekommen, "weil die jemanden in der Partei hatten, der angeschoben hat", sagt der Nachrichtendienst-Experte und Historiker Siegfried Beer. Mancher Mitarbeiter habe nicht einmal Englisch sprechen können.

In der Behörde zeigten sich dann auch Rivalitäten und Intrigen. Einzelne Beamte kochten offenbar ihre eigenen Süppchen: Symbolhaft dafür ist Ex-Abteilungsleiter W., der verdächtigt wird, geheime Infos aus dem BVT weiterverkauft zu haben und Marsaleks Fluchthelfer zu sein. Bei den Datenabfragen soll ihm der Ex- BVT-Mitarbeiter O. geholfen haben. Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" zitierte aus den Chatverläufen der beiden Beamten, die im Zuge der Ermittlungen sichergestellt wurden. Darin lästerten sie über das BVT. Das Amt sei früher schon "ein Sauhaufen" gewesen, so der Ex-Abteilungsleiter: "Und jetzt ein noch größerer."

Erleichtert wurden mögliche Malversationen durch das mangelnde Einhalten von Sicherheitsstandards durch die Mitarbeiter. Im Februar 2019 besuchten mehrere ausländische Partnerdienste, darunter das deutsche Bundesamt für Verfassungsschutz, das BVT-Gebäude am Wiener Rennweg, um eine Evaluierung durchzuführen. Dabei wurden gravierende Mängel festgestellt: Mitarbeiter nahmen Handys in den Sicherheitsbereich mit, Gespräche konnten von der Straße durch ein offenes Fenster belauscht werden, das interne Netzwerk der Behörde war mit dem Internet verbunden.

Mit einem neuen Grundausbildungs- und FH-Lehrgang sowie Vertrauenswürdigkeitsprüfungen sollen künftige Affären verhindert werden. "Österreich braucht einen Verfassungsschutz, dem die Menschen voll und ganz vertrauen können", sagte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP). Der Weg dorthin sei ein sensibler Prozess, den man transparent unter Einbindung aller Parlamentsparteien sowie Experten aus dem In- und Ausland gestalten wolle.

Lehrgang gestartet

Der Grundausbildungslehrgang startete im Oktober 2020 an der Sicherheitsakademie, der Forschungs- und Bildungseinrichtung des Innenministeriums. Der Lehrgang "Staatsschutz" an der FH Wiener Neustadt soll im Oktober 2021 beginnen.

Krisper will wissen, was dort gelehrt wird und welche anderen Staaten man sich bei der Konzeption zum Vorbild genommen hat. Auch erkundigt sie sich danach, inwiefern ausländische und inländische Experten darin tatsächlich involviert sind.

Beer und der Nachrichtendienst-Experte Thomas Riegler erklären auf Anfrage der "Wiener Zeitung", dass weder sie noch ihnen bekannte Kollegen in die Reform eingebunden wurden. "Konkret eingebunden wurde ich nicht", sagt der Terrorismusexperte Nicolas Stockhammer von der Uni Wien. Erste Gespräche rund um die Reform, bei denen er nach seiner wissenschaftlichen Expertise gefragt wurde, habe es aber bereits gegeben. Stockhammer geht davon aus, dass sich hier noch mehr tun werde: "Die Bemühungen sind größer geworden, der Druck ist ja auch gestiegen."

Beer pocht darauf, dass es künftig einen Austausch zwischen Wissenschaft und den Diensten in Österreich gibt. So wie etwa in den Niederlanden. "Einer meiner holländischen Kollegen, der sich mit Nachrichtendiensten beschäftigt, wurde eines Tages von der Regierung angerufen und gefragt, ob er einen Lehrgang zu dem Thema an einer Uni entwerfen kann." In den USA und anderen Ländern sei es üblich, dass die Dienste ihr Personal an den Unis rekrutieren.

Die Neos erfragen, ob auch Österreich diesen Weg gehen und wo das BVT sein Personal rekrutieren will. Künftig werde in der nachrichtendienstlichen Säule des BVT wohl "verstärkt auch Personal mit interdisziplinärem Hintergrund tätig sein", so Krisper. Dieses werde man für die "Analyse und Verarbeitung der hoch komplexen" Vorgänge brauchen.