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Ohne das Feindbild FPÖ muss die rote Bürgermeisterpartei bei der Wien-Wahl den Spagat zwischen Sozialpopulismus und einer härteren Gangart in Sachen Migration schaffen. Eine Analyse.
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Als "Phönix aus der Asche" soll bald Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache in die Politik zurückkehren, wie DAÖ-Obmann Karl Baron und Sprecher Gernot Rumpold kürzlich angekündigt haben. Aber vorerst nur als Gastredner - und zwar bei der ersten größeren Zusammenkunft der von drei abtrünnigen Wiener FPÖ-Politikern gegründeten Partei "Allianz für Österreich" (DAÖ) am Donnerstag in den Sofiensälen. Die DAÖ verspricht sich viel davon: Nach wie vor hofft man darauf, dass Strache bei der Wien-Wahl im Herbst als ihr Spitzenkandidat ins Rennen gehen wird - und dass es dann zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen mit der FPÖ kommt. Ob Strache vorerst nur Gastredner bleibt oder ob er schon am Donnerstag bekanntgeben wird, dass die DAÖ künftig "Liste Strache" oder so ähnlich heißen könnte, ist ungewiss.
Dass es ein Comeback Straches geben wird, scheint aber fix zu sein - nicht zuletzt deswegen, weil der Ex-FPÖ-Chef in einem Facebook-Posting eine "HC Strache Liste" angekündigt hatte, mit der er "über 15 Prozent" bei der Wien-Wahl erreichen wolle. Ein doch sehr ambitioniertes Ziel, wenn man bedenkt, dass selbst Jörg Haider im Jahr 2005 mit fast allen bekannten Gesichtern der damaligen FPÖ das BZÖ aus der Taufe gehoben und bei der Wien-Wahl im selben Jahr mit nur 1,2 Prozent nicht einmal den Einzug in den Wiener Gemeinderat geschafft hatte.
Dennoch bringt die aktuelle Abspaltung vor allem die Wiener FPÖ in große Bedrängnis - auch wenn man dort derzeit sehr darauf bedacht ist, das Überlaufen von immer mehr Parteimitgliedern herunterzuspielen. Denn die Wiener FPÖ wäre jetzt sogar ohne Ibiza-Affäre und ohne Abspaltung in einer absoluten Defensivposition, weil man mit den fast 31 Prozent bei der Wien-Wahl 2015 einen Höhepunkt erreicht hatte, der gegenwärtig selbst unter besten Voraussetzungen nicht zu halten wäre. Verluste bei der Wien-Wahl sind also vorprogrammiert. So oder so.
"Und mit Konkurrenz im eigenen Lager ist diese Situation noch einmal ordentlich verschärft, und das ist etwas, was der FPÖ sehr, sehr wehtut", meint auch der Politologe Thomas Hofer. Denn das begünstigt wiederum die Abwanderungstendenzen weiterer Parteimitglieder - und natürlich auch den Rückfluss von jenen Stimmen, die 2015 von der ÖVP zur FPÖ gewandert waren. Darüber hinaus wird in der Bevölkerung durch die Abspaltung unausweichlich der Eindruck vermittelt, dass sich die Partei momentan mehr mit sich selbst beschäftigt als mit den Problemen der Stadt.
Erstmals Alternative zu rotem Bürgermeister möglich
Das wiederum hat natürlich auch Auswirkungen auf das gesamtpolitische Gefüge in Wien und vor allem auf die SPÖ - denn: Das Hauptfeindbild und das damit verbundene Mobilisierungspotenzial, mit dem die Roten die vergangenen vier Wien-Wahlen gewinnen konnten, ist nun nicht mehr da. Oder wie es Hofer im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" ausgedrückt hat: "Der SPÖ kommt das Krokodil abhanden beziehungsweise hat das türkis-grün-pinke Krokodil, das man gerade beleben will, nicht mehr so scharfe Zähne, wie es noch das blaue vor fünf Jahren hatte."
Für die Wiener SPÖ eine große, kampagnentechnische Herausforderung also - zumal sie 2015 in Sachen Migration und Sicherheit einen wesentlich härteren Weg eingeschlagen hatte als die Jahre davor; nicht zuletzt, um im FPÖ-Lager zu fischen - und um sich von den Grünen besser abzugrenzen. Jetzt können die Sozialdemokraten den Grünen zwecks Wählerrückgewinnung nicht einmal mehr vorwerfen, sich in den Regierungsverhandlungen mit der Bundes-ÖVP in Sachen Migrations- und Sozialpolitik nicht durchgesetzt zu haben. Abgesehen davon hat die SPÖ laut Politologen Hofer immer nur gesagt, was sie nicht ist, aber viel zu selten, wofür sie konkret steht.
Zwar steht die Wiener SPÖ nach wie vor in Pole Position, um sich im Herbst einen - vielleicht auch neuen - Partner zu suchen. Dennoch gibt es erstmals die Möglichkeit einer Alternative zum roten Bürgermeister, und zwar ohne die tatkräftige Unterstützung der freiheitlichen Partei. Denn die FPÖ wird geschwächt aus der Wahl hervorgehen, selbst wenn Strache nicht viele Wähler abziehen und den Einzug ins Stadtparlament nicht schaffen sollte.
Viele blaue Stimmen werden zur ÖVP oder den Neos wandern - und viele weitere Stimmen von den Roten zu den Grünen, bei denen Zugewinne sicher zu sein scheinen. Daher ist der Hauptkonkurrent der SPÖ dieses Mal die grüne Partei, auch wenn deren Spitzenkandidatin Birgit Hebein besser performen könnte, als sie es gegenwärtig tut. Denn die Grün-Wähler müssen wie gesagt dieses Mal der SPÖ nicht mehr "unter die Arme greifen", um die FPÖ in Wien zu verhindern.
Krokodil-Farbwechselauf Grün-Türkis-Pink
Der Anteil an linken Wählern ist in Wien wesentlich höher als in anderen Bundesländern. Und die SPÖ kann die Grünen nicht dort angreifen, wo es angesichts der Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene am augenscheinlichsten erscheinen würde: nämlich bei den Themen Sicherungshaft, Kopftuchverbot und UN-Migrationspakt. Das sind Themen, bei denen die Grünen zwar klein beigeben mussten und damit vor allem in Wien viele ihrer Wähler vor den Kopf gestoßen haben. Es sind aber auch Themen, bei denen die Wiener SPÖ mehr in Richtung ÖVP als in Richtung Grüne geht.
Deswegen könne die Wiener SPÖ nur versuchen, sich auf das Thema Soziales nach burgenländischem Vorbild einzuschwören, meint hier Thomas Hofer: "Doskozil hat im Burgenland ein klar linkes Programm gefahren - Stichwort Mindestlohn, Anstellung pflegender Angehöriger beim Land. Also eine Art Sozialpopulismus - gepaart mit einer Rechtspolitik in Sachen Migration." Ob das in Wien als Regierungspartei funktionieren kann, ist wieder eine andere Frage. Auf jeden Fall scheint es so, dass Ludwig mit einer SPÖ-ÖVP-Koalition liebäugelt - und diesmal mit einem grün-türkis-pinken Krokodil zu mobilisieren versucht. Denn das alte Krokodil erschreckt derzeit niemanden mehr.