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Der Staat braucht Beamte

Von Josef Germ

Politik

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Selbst bei weiterer Einschränkung der Staatsaufgaben können die Politiker nicht alles selber machen. Im Übrigen kennzeichnet deren Tätigkeit nicht so sehr das Streben, vorgegebene Normen umzusetzen, sondern diese zu gestalten.

Es muss also Bedienstete geben, die gebunden an Gesetze diese und nicht Interessen umzusetzen haben; Berufsbeamte eben, die ihr Handwerk verstehen und unter wechselnder politischer Führung die notwendige Kontinuität gewährleisten. Diese Aspekte werden weder von persönlich abhängigen Sekretären noch von hochbezahlten Unternehmensberatern abgedeckt.

Die normativen Vorgaben sind heute sehr umfangreich, meist auch sehr kompliziert - wie manches Regierungsmitglied früherer Jahre, wenn auch erst spät einbekannt hat - und sie ändern sich wegen Permanentreformen laufend. Das bedeutet, dass es sich beim Inhalt der vom öffentlichen Dienst zu besorgenden Tätigkeiten in der Regel nicht bloß um einfache Hilfsarbeiten handelt. Es ist vielmehr beachtliches Wissen und oft auch eine besondere Verantwortung gefordert. Dies verlangt nicht nur ein hohes Maß an Vorbildung, sondern zusätzlich eine fachspezifische Aus- und Weiterbildung. Schlechte Leistungserbringung schädigt nicht nur die unmittelbar davon Betroffenen, sondern belastet im Wege von Schadenersatzverfahren die Allgemeinheit.

Trotz Elektronik und sonstigem technischen Fortschritt ist für viele Dienstleistungen im öffentlichen Bereich die Person und deren Erfahrung unverzichtbar. Für Hilfstätigkeiten gilt dies zwar nur eingeschränkt, die sind aber meist ohnehin schon ausgelagert.

Häufig sind die besonderen Erfordernisse und Kenntnisse für den öffentlichen Dienst im privaten Bereich nicht verwertbar. Die notwendige lange Ausbildung sollte sich daher für beide "Partner" dieser Rechtsbeziehung dem Grunde nach rentieren.

Der Erfolg eines Beamten sollte von seiner Dienstleistung und nicht von parteipolitischer Gunst abhängen. Das Recht des Bürgers verlangt, Anliegen bzw. Eingriffe nicht parteipolitisch gefärbt abzuhandeln. Dass die behördliche Tätigkeit in Österreich bisher im Wesentlichen nicht parteipolitisch, sondern am Gesetz orientiert war, ist aber nicht nur auf die ethischen Grundsätze der Verantwortlichen, sondern auch auf das System zurückzuführen.

Was ist nun das Wesensmerkmal des Beamtensystems?

Hier ist an erster Stelle die Öffentlich-Rechtlichkeit zu nennen. Die Grundlage und der Inhalt der Dienstverhältnisse ist in Gesetzen geregelt und daher - ungeachtet der sich überschlagenden Reformgesetzgebung - noch immer verhältnismäßig transparent. Während privatrechtliche Verträge grundsätzlich nur eine Sache zwischen den beiden Vertragspartnern sind - auch wenn sie aus Mitteln der Allgemeinheit bezahlt werden -, hat die Öffentlichkeit bei Beamten das Recht und die Möglichkeit die gesetzlich festgelegten "Spielregeln" nachzuvollziehen. Dem Gestaltungswillen der Politiker wird hier durch das Gesetz, das zwar wieder von Politikern bestimmt aber öffentlich abgehandelt wird, eine Grenze gezogen. Berichten des Rechnungshofes über Bereiche, in denen nicht nach derartigen Vorgaben gehandelt wird, ist zu entnehmen, dass Gestaltungsmöglichkeiten im Personalbereich keinesfalls zu mehr Sparsamkeit geführt haben. Das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis, auf dessen Begründung der Beamte gar keinen Rechtsanspruch hat, ist einseitig durch das Gesetz bestimmt. Es gibt sowohl kündbare als auch zeitlich begrenzte öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse. In der Mehrzahl der Fälle wird dieses Dienstverhältnis - wenn eine Reihe von Voraussetzungen vorliegen - nach mehrjähriger Erprobung und Ausbildung definitiv und erst damit unkündbar. Das bedeutet aber nicht, dass dieses Dienstverhältnis gegen den Willen des Beamten nicht mehr lösbar wäre. Eine trotz Ermahnung mangelhafte Dienstleistung oder disziplinäre Vergehen im oder außer Dienst ermöglichen nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens die Auflösung dieses Dienstverhältnisses. Zugegeben hat dies nicht durch Willensakt eines Mächtigen auf Grund der (ver)öffentlich(t)en Meinung zu erfolgen, sondern nach rechtsstaatlichen Vorgaben. Die Bestandgarantie des Dienstverhältnisses soll den rechtmäßig handelnden Beamten vor Übergriffen schützen. In Verbindung mit der Verpflichtung des Beamten, gegen rechtswidrige Weisungen seine Bedenken geltend zu machen, stellt dies ein wichtiges Mittel für mehr Rechtsstaatlichkeit im öffentlichen Bereich dar. In einem System der Abhängigkeit und des daraus resultierenden vorauseilenden Gehorsams, sollte der Wert der relativen Unabhängigkeit wieder in Erinnerung gerufen werden.

Im Übrigen ist im gegebenen Zusammenhang anzumerken, dass das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis durch eine gewisse Strenge der Gesetzesanwendung gekennzeichnet ist. Judikaturunterschiede zwischen den für private Dienstverhältnisse zuständigen Arbeitsgerichten und den für die Überprüfung von Bescheiden im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis berufenen Verwaltungsgerichtshof gehen daher nahezu ausschließlich zu Lasten der Beamten.

Die angeblichen "Privilegien" der Beamten sind sachlich und immer im Gesetz begründet. Die seit langem in den Medien gepflegte beamtenkritische Stimmung beruht weitgehend auf Neid, der einseitig und ohne Kenntnis der Zusammenhänge auf die Unkündbarkeit und die bessere Pension fokussiert wird. Die mit dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis für die Beamten verbundenen beachtlichen Nachteile werden dabei genauso wenig bedacht, wie die Vorteile, die aus dieser Art des Dienstverhältnisses für den öffentlichen Dienstgeber vorliegen. Die Rechte der Arbeitnehmer in privaten Dienstverhältnissen in der Wirtschaft, von der höheren Bezahlung, den freiwilligen Sozialleistungen bis zur Betriebspension udgl., gehen selbstverständlich die Öffentlichkeit genauso wenig an, wie die häufig höhere Bestandgarantie von Verträgen im Verhältnis zu den in der Disposition des Gesetzgebers liegenden öffentlich-rechtlichen Normen. Der Staat erspart sich bei den Beamten die Zahlung von Abfertigungen, Sozialversicherungs- und Familienlastenausgleichsbeiträgen. In Verbindung mit dem höheren Pensionsbeitrag der Beamten und dem gleichen gesetzlichen Pensionsalter bei Männern und Frauen ist das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis Jahrzehnte hindurch für den Dienstgeber auch ökonomisch günstiger gewesen. Die Reduzierung des Pensionsdeckungsbeitrages bei den Beamten ist Ergebnis einer Personalpolitik keine Beamten mehr zu ernennen.

Bei Vergleichen mit anderen Pensionssystemen wird von vornherein übersehen, dass die Position des öffentlichen Dienstgebers (Bund, Land) im Verhältnis zu seinen Dienstnehmern wohl eine andere ist als die der öffentlichen Hand als Zuschussleister zur Sozialversicherung oder sonstigen Sozialleistungen.

Nicht jeder, der heute noch Beamter ist, bedarf zwar dieser Rechtsstellung. Vielfach waren aber ökonomische Gründe für den Dienstgeber bei der Ernennung maßgebend, weil der Dienstbehörde Beamte eben billiger gekommen sind und auch verfahrensrechtliche Vorteile für die Behörde vorliegen.

Zusammenfassend zeigt die besondere Aufgabenstellung der Beamten in Übereinstimmung mit der österreichischen Bundesverfassung und dem Unionsrecht sowohl den Sinn als auch die Notwendigkeit des Bestehens von Beamtenverhältnissen auch in der Zukunft. Leider wird der Wert einer Einrichtung oft erst dann erkannt, wenn es sie nicht mehr gibt.

Dr. Josef Germ war in verschiedenen Bereichen der Verwaltung im BKA und im Rechnungshof und die letzten zwanzig Jahre als Richter des Verwaltungsgerichtshofes mit Schwerpunkt "Dienstrecht" tätig.