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Sozialstaatliche Einrichtungen müßten aufrechterhalten bleiben. Der Staat könne aber nicht alles leisten. Das war der Grundtenor einer Diskussionsveranstaltung mit Wissenschafts- und | Verkehrsminister Caspar Einem am Dienstagabend.
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Wenn man aufgrund zahlreicher Verwaltungsbestimmungen "vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sieht", müsse sich etwas ändern. Von unnötigen Hürden müsse man den Staat befreien und den Konsumenten
wirksame Instrumente in die Hand geben. Die Gesellschaft habe sich nach den 68er-Ereignissen dergestalt verändert, daß sie heute durch ein höheres Maß an Individualisierung gekennzeichnet ist. "Man
braucht keinen großen Papa, der einem sagt, wie's geht." Es habe eine "Durchlüftung", ein Bruch mit traditionalistischen Vorstellungen stattgefunden, was sich letztlich auf den Staat auch negativ
auswirkte. Die Bedeutung der Parteien, Gewerkschaften und Kirchen hat abgenommen · nur: wenn man sich nicht mehr dort zu Hause fühlt wie früher, wo dann?
Der Regelungsansatz des Staates befriedigt die Bürger nicht mehr. Caspar Einem appellierte also vor versammelten Vertretern aller Ministerien der SPÖ-nahen "Initiative Bund" um eine deutliche
Weiterentwicklung der Institutionen. Für die Wahlverdrossenheit gebe es gute Gründe, das sei ein demokratiepolitisches Problem. Die Bevölkerung murre berechtigterweise und sei unzufrieden, ohne daß
jemand Böses tue. Und die FPÖ-Wähler würden in Jörg Haider lediglich "emotionale Geborgenheit" wiederfinden.
Als Sozialdemokrat fordert Einem daher, die Chancengleicheit weiter zu garantieren. Schließlich, zitierte er Jürgen Habermas, kennzeichne die Demokratie eine "Selbstgesetzgebung" durch jene, die sich
an die Gesetze halten sollen. Also sei der Staat gezwungen, die sozialstaatlichen Einrichtungen aufrecht zu erhalten · "nur die Methoden dazu müssen sich ändern". Notwendig sei Hilfe zur Selbsthilfe
durch präventive Maßnahmen, "Etatismus löst das Problem nicht".
Institutionen sollen mehr Spielraum zur Eigengestaltung erhalten, so wie etwa die Universitäten durch die Vollrechtsfähigkeit ein höheres Maß an Autonomie erhalten sollen. Geht es nach Einem, könnte
ebenso Österreichs "aufgeblasener" Föderalismus abgeschafft werden; unnütze Strukturen würden mit dem fragwürdigen Argument der Sicherung von Arbeitsplätzen beibehalten. Umverteilung sei "ein schönes
politisches Wort", die Verhältnisse seien aber nicht so einfach zu lösen. Es ist eben "alles sehr kompliziert", wie ein Bundeskanzler (Fred Sinowatz, Anm.) einst sagte. Einem ist aber sehr wohl für
den gezielten Abbau der Überstunden und dafür, bei den Österreichischen Bundesbahnen anstatt der 1 Mrd. Überstunden pro Jahr (!) 2000 Arbeitsplätze zu schaffen.