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Der Staat will bei Verschlüsselung mitlesen können

Von Barbara Wiesner

Gastkommentare
Barbara Wiesner war von 1992 bis 2006 Professorin für Informatik an der Fachhochschule Brandenburg. Ihre Spezialgebiete waren unter anderem Kryptographie und Privacy. Inzwischen ist sie im Ruhestand und lebt in Wien.

Es wird diskutiert, ob der Staat sich durch den Einbau von Hintertüren in den Programmen Zugang zu verschlüsselten Informationen verschaffen darf.


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Weltweit fordern Politiker und Geheimdienstchefs den Zugriff auf verschlüsselte Kommunikation. So erschien am 11. August 2015 in der "New York Times" ein Aufruf, unterzeichnet von den Staatsanwälten von Manhattan und Paris, Cyrus R. Vance und François Molins, vom Londoner Polizeichef Adrian Leppard sowie vom Staatsanwalt des Obersten Gerichtshofs in Spanien, Javier Zaragoza. Sie wenden sich gegen die Verschlüsselung der gesamten Festplatte bei Google und Apple, da die Justiz dadurch keine Zugriffsmöglichkeiten mehr auf die verschlüsselten Inhalte habe. Die Verfasser des Aufrufs fordern legale Wege, um die Verschlüsselung auf Smartphones umgehen zu können.

Bereits am 28. Juli erschien in der "Washington Post" ein Aufruf mit einer diametral entgegengesetzten Position. Die Autoren, der frühere NSA-Direktor John Michael McConnell, der ehemalige US-Minister für Innere Sicherheit Michael Chertoff und der frühere stellvertretende Verteidigungsminister William J. Lynn unterstrichen darin, wie wichtig eine starke Verschlüsselung in der heutigen Zeit sei. Ihrer Ansicht nach bedeute jeder staatliche Eingriff in Verschlüsselungsmechanismen eine Schwächung des Schutzes von Informationen vor unbefugtem Zugriff. Für die Unterzeichner stellt die Sicherheit einer Kommunikationsinfrastruktur ein höheres Gut dar als der Einbau staatlicher Überwachungsmöglichkeiten. Gleichzeitig machten sie klar, dass ihrer Meinung nach der Staat Mittel und Wege finden werde, seine Ziele auch unter diesen Gegebenheiten zu erreichen.

Das Bemerkenswerte an diesen beiden Aufrufen ist, dass sowohl Gegner als auch Befürworter einer Aufweichung der Verschlüsselung aus hohen Regierungskreisen kommen. Im verangenen Oktober zog die US-Regierung zum großen Ärger des FBI ihre Forderung nach dem Zugriff auf verschlüsselte Kommunikation zurück. Zu diesem Entschluss dürfte auch ein Papier führender Kryptologen vom 7. Juli beigetragen haben. Nach deren Ansicht bringt jeder Eingriff in verschlüsselte Kommunikation unweigerlich die vertraulichsten Daten der Welt und die kritische Infrastruktur in Gefahr.

Die Terroranschläge in Paris haben zu einem Aufschrei nach Überwachung und Zugang zu verschlüsselten Informationen geführt. Getreu dem Motto "Never waste a good crisis" weist das FBI erneut darauf hin, wie wichtig es ist, verschlüsselte Informationen lesen zu können. Kryptologen stellen dem entgegen, dass Terroristen zwar starke Verschlüsselungstechniken verwenden wie zum Beispiel den in Berlin ansässigen Messaging-Dienst Telegram, auf den die USA keinen Zugriff haben, dass aber die Metadaten der Kommunikation - also wer wann mit wem wie lange kommuniziert - nicht durch Verschlüsselung geschützt sind und sehr aufschlussreich sein können.

Grundsätzlich müssen Geheimdienste auf verschlüsselte Kommunikation zugreifen können, allerdings nicht durch Hinterlegung von Zweitschlüsseln oder durch Einbau von Hintertüren. Ein solches Verbot erschwert zwar die Arbeit der Geheimdienste, doch für den Bürger bedeutet dies mehr Schutz vor Kriminellen und mehr Schutz der Privatsphäre. Was die Geheimdienste betrifft, so kann man sicher sein, dass sie Technologien entwickeln werden, um ihre legitimen Ziele zu erreichen.